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Grüne Radikalkur-Wünsche

Von Martina Madner

Politik

Während die einen ein Köpferollen fordern, wollen andere rasche Reformen. Bis zu den Landtagswahlen 2018 ist nicht viel Zeit.


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Wien. Noch sitzt der Schock über das desaströse Wahlergebnis bei den Grünen tief. Noch ist nicht klar, ob aus den wahrscheinlichen 3,9 Prozent inklusive Wahlkartenprognose nach der Auszählung derselben die notwendigen vier Prozent werden, um in den Nationalrat einzuziehen.

Eines ist aber klar: Die Partei muss die Konsequenzen aus Wahlkampf und Ergebnis ziehen - sowohl strukturell, finanziell als auch personell. Schließlich hat die Partei im Vergleich zu den Nationalratswahlen 2013 zwei Drittel ihrer Stimmen verloren, so wie etwa in Wien, wo nur 5,3 Prozent für Grün stimmten, 11,1 Prozentpunkte weniger als 2013. Die stärksten Verluste gab es mit jeweils 11,3 Prozentpunkten weniger aber in Salzburg und Tirol: Da gaben am Sonntag nur mehr 3,5 bzw. 3,9 Prozent den Grünen ihre Stimme. Bundessprecherin Ingrid Felipe sagte: "Da kann man jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen. Da ist eine genaue Ursachenanalyse notwendig."

Felipe vermutet einige Ansatzpunkte dafür im "schwierigen" Jahr 2017. Die Replik im Schnelldurchlauf: Da war der Rauswurf der Jungen Grünen nach nicht statutengemäßen Ausritten derselben, der Rücktritt Eva Glawischnigs. Das alles begleitete Peter Pilz mit kritischen Anmerkungen, der trat aus der Partei aus, nachdem er den vierten Listenplatz an Julian Schmid verloren hatte und beschloss im Sommer, mit einer eigenen Liste anzutreten. Dazu tritt heute, Dienstag, der Bundesvorstand und am Freitag der aus mehr als 30 Leuten bestehende Erweiterte Bundesvorstand zusammen.

Personelle Konsequenzen gefordert

Wobei Felipe für die Analyse möglicherweise nicht mehr allzu viel Zeit bleibt. Thomas Blimlinger, 16 Jahre lang Bezirksvorsteher von Wien-Neubau, der als solcher im November ausscheidet, forderte bereits den Rücktritt des gesamten Bundesvorstands.

Für andere ist das die falsche Vorgehensweise, so zum Beispiel die Grüne Europaabgeordnete Monika Vana: "Nur Köpfe rollen zu lassen, ist keine neue Strategie." Ihr Beitrag zur Fehleranalyse "dieses traurigen, schockierenden Ereignisses": "Die Grünen hätten jedenfalls einen viel angriffigeren, oppositionellen Wahlkampf machen sollen". Damit steht sie nicht alleine: Das Schwanken zwischen Oppositionskurs und Kompromissbereitschaft ist auch laut Irmi Salzer, die Nationalratskandidatin war, problematisch: "Wir sind in schwarz-grünen Koalitionen und in einer rot-grünen, dazu Bundesopposition gewesen. Verschiedene Ansprüche führen auch zu Widersprüchen, die viel zu lange — auch wegen des Bundespräsidentschaftswahlkampfes 2016 — nicht bearbeitet worden sind."

Beide werden das - anders als Blimlinger, der diesem Gremium nicht angehört - als Mitglieder des erweiterten Bundesvorstandes am Freitag einbringen.

Aber nicht nur auf Bundesebene, auch in Wien suchen manche Grüne nach Verantwortlichen für das Wahldebakel. So heißt es, dass Maria Vassilakous Ignorieren der Urabstimmung gegen das Bauprojekt am Heumarkt auch bei den Bundeswahlen Stimmen gekostet habe. Der grüne Wiener Klubobmann David Ellensohn beendet das Sägen am Sessel der Wiener Parteichefin vorerst mal: "Alle sind noch getroffen und auf der Suche nach Gründen. Da wird man kein singuläres Ereignis finden, dass zu 100 Prozent verantwortlich für das Ergebnis ist."

(Finanzielle) Solidarität der Landesorganisationen

Eine weitere Ursache des Ergebnisses sehen viele in den geringen Ressourcen. Nicht nur der aktuelle, schon der Bundespräsidentschaftswahlkampf hat die Grünen viel Geld, Energie, "Man- und Womenpower" gekostet. Die Parteikassen sind leer, werden mit einem schlechten Wahlergebnis noch leerer: Schaffen die Grünen die Vier-Prozent-Hürde nicht, verlieren sie 8,9 Millionen Euro Bundesförderung. Dazu kommen Kosten in Millionenhöhe für die Bundesklubauflösung und die Verkleinerung der Parteizentrale. Aber selbst wenn es sich ausgeht, sind es Schulden in Millionenhöhe (siehe "Grüne in den roten Zahlen").

Hier ist laut Salzer die Solidarität aller Länderorganisationen gefordert. Das ist laut Ellensohn "zwar alles andere als lustig, aber logisch und machbar". Den konkreten Betrag errechne man bis Freitag, dann kenne man auch das tatsächliche Endergebnis und verteile die Kosten. "Das ist ein ganz normaler Vorgang."

Listenbildung und Themen schwierig zu vermitteln

Dazu kam gleich am Wahlabend von verschiedenen Seiten noch die Kritik an der Vermittlung der Grünen Inhalte, "zu komplex und schwierig zu vermitteln" und die Listenbildung, "zwar demokratisch, aber kräfteraubend, weil man schon im Vorfeld Allianzen suchen müsse", hieß es von mehreren Seiten.

Die Vergangenheitsbewältigung der Grünen darf jedenfalls nicht allzu lange dauern. Schließlich stehen im kommenden Jahr Landtagswahlen an. Die erste in Niederösterreich schon im Jänner, aber auch in Tirol, Kärnten und Salzburg sind 2018 Wahlen zu schlagen.

Liste Pilz

Noch nicht ganz entspannt darf sich auch die Liste Pilz geben — selbst wenn die am Montag eintreffenden Wahlkartenauszählungen die 4,3 Prozent, die einen Einzug in den Nationalrat sichern würden, bestätigten. Und beim Endergebnis in St. Pölten überholte die Liste mit 4,59 Prozent noch um 41 Stimmen die Neos (4,46 Prozent). Seine stärksten Ergebnisse fuhr Pilz aber in ehemaligen Wiener Grünen-Hochburgen ein, in Wien-Neubau sind es zum Beispiel 12,1 Prozent. Bei einem Treffen am Montag wurde "für die kommenden Tage" eine Klausur angesetzt, einen genauen Zeitpunkt gibt es nicht. Es gibt aber bereits Hinweise darauf, dass man sich einen neuen Namen geben wird. Sollte die Liste in das Hohe Haus einziehen, stehen ihnen acht Mandate zu. Diese gehen vermutlich an Peter Pilz, Startup-Coach Stephanie Cox, Anwalt Alfred Noll, die früheren Abgeordneten Daniela Holzinger (SPÖ) und den grünen Budgetsprecher Bruno Rossmann, Anwältin Alma Zadic, Sebastian Bohrn Mena, Direktor der Volkshochschule Penzing, und Biochemikerin Renee Schröder.