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Stuttgarts grüner Bürgermeister plädiert für Bündnis mit CDU/CSU.
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Stuttgart/Wien. Streng paritätisch ist die Führung der deutschen Grünen aufgeteilt: Ein Fundi und ein Realo führen die Partei, das Gleiche gilt für die Fraktion. So meinte man, nach außen und innen die Flügel zwischen linksalternativem und bürgerlichem Flügel zähmen zu können. In der Praxis war die Hegemonie der Parteilinken im Bund unübersehbar - bis zum Debakel in der vergangenen Woche, als die Grünen von knapp elf auf 8,4 Prozent abstürzten.
Seit April hielten die Realos zähneknirschend still. Damals wurde auf dem Parteitag das Steuererhöhungskonzept beschlossen. Nun melden sich die damaligen Kritiker zu Wort und brechen eine Lanze für eine schwarz-grüne Koalition: "Eine gute Koalition braucht immer ein Projekt. Die ökologische Modernisierung ist das zentrale Zukunftsprojekt für Deutschland. Das ist bei Schwarz-Grün wahrscheinlicher als bei Schwarz-Rot. Ich möchte nicht, dass in Deutschland eine große Koalition der Braunkohle regiert", machte Stuttgarts grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn seine Präferenz gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" unmissverständlich klar.
Erfolgreicher Südwesten meldet sich zurück
Mit Kerstin Andreae wagt sich eine weitere bürgerliche Grün-Politikerin aus Baden-Württemberg aus der Deckung. Die bisherige Fraktionsvize im Bundestag kandidiert um den Vorsitz und matcht sich mit Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt um den für die Realos vorgesehen Platz. Die 44-Jährige fordert in ihrem Bewerbungsschreiben, Selbstständige, Handwerker und Unternehmer nicht als Gegner, sondern als Partner der Grünen zu sehen.
Seit 2011 wird Baden-Württemberg als erstes deutsches Bundesland von einem Grünen regiert. Damals drang Winfried Kretschmann mit einem ähnlichen Kurs in die mittelständischen Kernschichten der CDU vor, die nach fast 60 Jahren den Posten des Ministerpräsidenten abgeben musste. Vor Kretschmanns Sieg erreichten die Grünen bei Landtags- und Bundestagswahlen in Baden-Württemberg lediglich zwischen elf und 14 Prozent. Kretschmann errang bei der Landtagswahl 2011 epochale 24,2 Prozent, nun stürzten die Grünen mit dem Linkskurs wieder auf die üblichen elf Prozent ab.
Zu erwarten ist, dass die gestärkte Fraktion aus Baden-Württemberg ihren Kurs wesentlich selbstbewusster auf Bundesebene vorbringen wird. In Berlin wird das insbesondere dem gescheiterten Spitzenkandidaten und Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin und Co-Parteichefin Claudia Roth sauer aufstoßen; beide kündigten nach der Wahlniederlage ihren Rücktritt an.
Wahlverlierer sollenmit der Union sondieren
Ausgerechnet Roth, Trittin und die weiteren Hauptverantwortlichen des Desasters - Co-Parteichef Cem Özdemir und Kathrin Göring-Eckardt - sollen eventuelle Sondierungsgespräche mit dem Wahlgewinner CDU/CSU führen. Im Falle von Koalitionsverhandlungen sollen zwar neue Köpfe in die Delegation aufgenommen werden; um wen es sich dabei handelt, ist noch völlig offen - ein erster Gradmesser für die Durchsetzungsstärke Baden-Württembergs kündigt sich an.