Beim Bundeskongress am Sonntag wurden die Vorzüge des Regierens betont. Für Kogler selbst gab es einen Dämpfer.
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Am vorangegangenen Bundeskongress war die Sache klar. Mit 93 Prozent der Delegierten hatte sich im Jänner 2020 eine große Mehrheit für die Koalition mit der ÖVP ausgesprochen. Eineinhalb Jahre später wird die türkis-grüne Bundesregierung zwar offiziell nicht in Frage gestellt. Die Unzufriedenheit ist bei manchem grünen Parteimitglied aber gewachsen. Denn in den 17 Monaten Regierungsarbeit gab es nicht nur den Dauerkampf gegen die Pandemie, sondern auch eine Reihe von Differenzen mit dem Koalitionspartner: der Streit um die Abschiebungen von Kindern, der die bekanntlich unterschiedlichen Linien von ÖVP und Grünen beim Thema Migration hochkochen ließ; die Konflikte um den Ibiza-U-Ausschuss, in dessen Zentrum längst die ÖVP steht; und deren Kritik an der Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die mit ihren Ermittlungen gegen Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel nicht nur die ÖVP in Bedrängnis bringt - sondern auch den grünen Koalitionspartner als selbst ernannte Anti-Korruptions-Partei.
Der grüne Bundeskongress, der am Sonntag in Linz über die Bühne ging, wurde deshalb auch als atmosphärischer Stimmungstest für die Regierungsbeteiligung der Grünen gesehen. Ein offener Aufstand gegen die Koalition blieb aus - was nur wenig überraschte: Kritische Stimmen, vor allem aus Bezirksorganisationen, hatten sich zwar im Vorfeld gemehrt, wie Parteimitglieder der "Wiener Zeitung" bestätigten. Der Unmut drang aber nicht an die Öffentlichkeit, wofür auch die intensiven Bemühungen aus der Parteispitze und von Nationalratsabgeordneten eine Rolle spielten, Kritiker von den eher durchwachsenen Perspektiven bei einer Aufkündigung der Koalition zu überzeugen.
NÖ-Grüne: Statutenänderung "nicht notwendig"
Auch unmittelbar vor dem Bundeskongress setzte die grüne Führung auf Vorab-Gespräche. So lud Bundesparteichef Werner Kogler die Delegierten bereits am Samstag zu einem Symposium, in dem die bisher geleistete Arbeit in der Bundesregierung im Fokus stand. Mag dieser Schritt dazu beigetragen haben, Kritiker zu besänftigen, gab es an anderer Stelle aber doch noch Widerstand gegen die Parteispitze: Kogler hatte eine Statutenänderung forciert, mit der die Urwahl des grünen Parteichefs und mehr Mitsprache für diesen bei der Erstellung von Wahllisten durchgesetzt werden sollte. Der Antrag erreichte aber nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. Ablehnung kam insbesondere von den Landesorganisationen aus Wien und Niederösterreich. Der Antrag sei "schlecht vorbereitet" gewesen, die Reformidee zu kurzfristig vor dem Parteitag aufgebracht worden, sagt ein Grüner gegenüber dieser Zeitung.
Konkret sollten nach dem Reformkonzept künftig sämtliche rund 7.000 Mitglieder der Landesparteien den Bundessprecher oder die Bundessprecherin wählen dürfen - und nicht wie bisher nur die rund 280 Delegierten am Bundeskongress. Bewerben können hätte sich jedes Mitglied mit zumindest 100 Unterstützern. An der geplanten Parteireform war zuvor lange gefeilt worden. Auch bis in den späten Samstagabend hinein gab es noch intensive Diskussionen, im Zuge derer der Antrag noch modifiziert wurde.
Auf gewisse Unsicherheit in der Parteispitze könnte jedenfalls hindeuten, dass man am Sonntag zunächst plante, Medienvertreter von den nachmittäglichen Programmpunkten des Bundeskongresses - inklusive der Abstimmung über die Parteireform - auszuschließen. Erst nach Journalistenprotesten wurde der Plan zurückgenommen.
Am Montag ließ die Landessprecherin der niederösterreichischen Grünen, Helga Krimser, wissen, dass die Statutenänderung, "nicht notwendig" sei. Die Idee, den Bundessprecher nicht mehr am Bundeskongress zu wählen, würde "eher als Misstrauen empfunden". Die 34 Delegierten aus dem Bundesland hätten sich daher einstimmig gegen den Antrag entschieden. Bei den Wiener Grünen wollte man die Causa nicht offiziell kommentieren. Es sei eine basisdemokratische Abstimmung gewesen, nicht alle Hauptstadt-Grüne hätten gegen die Statutenänderung gestimmt, hieß es am Montag.
Ökologische Handschrift in Regierung entscheidend
Kogler gab sich nach der Niederlage betont sportlich und signalisierte Verständnis - insbesondere, weil die Reform eine Schwächung der Kompetenzen des Bundeskongresses bedeutet hätte. "No hard feelings", lautete sein Schlussstatement am Sonntag.
Zuvor hatte der Bundesparteichef in einer Brandrede die türkis-grüne Koalition gegen Kritik verteidigt. Sich für das Regieren zu entschuldigen, sei "Blödsinn", denn es sei "besser, die Richtigen regieren, als die Falschen". Lob gab es folgerichtig für die grünen Regierungsmitglieder. Insbesondere die Arbeit von Umweltministerin Leonore Gewessler für eine ökologische Transformation des Landes und von Justizministerin Alma Zadic, die sich bei allen Angriffen vor die Justiz stelle, hob Kogler hervor.
Die Umsetzung der anstehenden Projekte, gerade aus dem Umweltministerium, dürfte auch für die weitere Entwicklung der Stimmung in der Partei entscheidend sein. Das "1-2-3-Klimaticket" ist grundsätzlich auf Schiene, die österreichweite Stufe, die um 1.095 Euro pro Jahr unbegrenztes Benutzen aller öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich ermöglicht, soll noch heuer starten. Nächster wichtiger Schritt für die Partei ist das Klimaschutzgesetz, das im Sommer in Begutachtung gehen soll. Vorgesehen sind darin ein "Klimacheck" für neue Gesetze und automatische Steuererhöhungen auf Benzin, Diesel und Erdgas.