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Grünen-Ergebnis zeigt: In Österreich ist links der Mitte nichts zu holen

Von Brigitte Pechar

Analysen

Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach den letzten Nationalratswahlen (1. Oktober 2006) wurden die Österreicher am Sonntag schon wieder zu den Urnen gerufen. Und sie haben ihr Urteil gefällt: Niemand will more of the same. Die große Koalition wurde abgewählt. | Wenn aber schon so viele Wähler genug hatten von den Streitigkeiten zwischen SPÖ und ÖVP, warum sind sie dann in Scharen zu FPÖ und BZÖ übergelaufen (diese haben zusammen fast 30 Prozent, mehr als bei Jörg Haiders bestem Ergebnis 1999)? Warum konnten weder Grün noch das LIF vom Frust auf Rot und Schwarz profitieren?


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Das liegt einerseits daran, dass die Menschen in Österreich eher konservativ sind - das zeigt sich etwa daran, dass wir als eines der wenigen Länder noch keine Homo-Ehe haben - und andererseits daran, dass in einem Land, in der die Dichte der Qualitätsmedien gering ist, Populisten nachgelaufen wird. In diesem Umfeld, das muss anerkannt werden, war es für die Grünen schon schwer, ihr Ergebnis zu halten. Sie konnten und wollten nicht populistischer sein als Heinz-Christian Strache und Jörg Haider.

Der Wahlkampf der Grünen ist aber auch nur langsam in die Gänge gekommen. Plakate mit dem Konterfei von Alexander Van der Bellen und dem Schriftzug "vdb" brachten viele Wähler zum Grübeln.

Erst gegen Ende des Wahlkampfes erklärten die Grünen dann, wofür sie tatsächlich stehen: Ausstieg aus Öl und Gas, Steuerreform für den Mittelstand. Die Grünen fahren ein Minderheitenprogramm für die Bildungsschicht - bei einer Akademikerquote von sieben Prozent und einem Anteil der Maturanten an der Gesamtbevölkerung von etwa 14 Prozent ein mutiges Unterfangen.

Aber es fehlte den Grünen auch an Mut, in fremden Gewässern zu fischen. Etwa in jenem der ÖVP. Im TV-Duell gab Van der Bellen seinem Diskussionspartner Wilhelm Molterer in vielen Punkten Recht, hatte aber vor rund 800.000 Zusehern kein Angebot an potenzielle ÖVP-Wähler zu bieten. Und die paar frustrierten, die sie von dort bereits zu sich geholt hatten, verloren die Grünen wieder durch die umstrittene Kandidatur von Martin Balluch, einem mit dem Gesetz in Konflikt geratenen Tierrechtler, und Michael Genner, der seiner Freude über den Tod von Innenministerin Liese Prokop Ausdruck verliehen hatte. Ein unnötiges Statement, zumal beide an aussichtsloser Stelle gereiht sind.

Die Grünen müssen sich am Tag nach der Wahl zwei Fragen stellen: Wie sieht eine personelle Erneuerung aus? Und wie kann die grüne Partei thematisch neu ausgerichtet werden?

Wenn es den Grünen nicht gelingt, mit SPÖ und BZÖ doch noch in die Regierung zu kommen, wird sich Van der Bellen wohl oder übel seinen Abschied aus der Politik überlegen müssen. Und das, obwohl er die Ökopartei von einer 4-Prozent- zu einer 11-Prozent-Partei gemacht hat. Dann muss aber auch die Person Eva Glawischnig zumindest zur Diskussion stehen, schließlich war sie als Dritte Nationalratspräsidentin und langjährige Vizechefin an allen Entscheidungen an vorderster Front beteiligt.

Eine thematische Neuausrichtung muss vor allem auch ein Angebot an kleine Unternehmen beinhalten und sich vielleicht etwas weniger an Orchideenthemen orientieren.