Ungemach vor dem Bundeskongress - die Frage nach dem Koalitionsende stellt sich für die Ökopartei aber vorerst nicht.
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Schon bei den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) rund um den Verdacht von Parteispenden haben die Grünen die Zähne zusammengebissen und im Februar einem Misstrauensantrag nicht zugestimmt. Die jetzigen Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss bringen den Juniorpartner in der türkis-grünen Koalition erst recht in eine Zwickmühle. Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler und Klubobfrau Sigrid Maurer setzen zunächst darauf, die Justiz in der Causa weiter arbeiten zu lassen.
Intern wird in der Ökopartei aber erwartet, dass die Behörde einen Strafantrag gegen Kurz erheben wird. "Es deutet alles darauf hin, dass es zu einer Anklage kommen wird", sagt Grünen-Sicherheitssprecher David Stögmüller, der auch im U-Ausschuss sitzt, zur "Wiener Zeitung". Er verweist vor allem darauf, der Bundeskanzler habe selbst erklärt, dass er mit einem Strafantrag rechnet.
Die grüne Parteiführung ist um Beruhigung bemüht, auch wenn Vertreter der Basis in sozialen Medien ihren Unmut äußern und selbst die Unterstützung eines Misstrauensantrages gegen Kurz in Erwägung ziehen. Im Parlamentsklub und in der Partei legt man sich bezüglich des weiteren Vorgehens im Falle eines Strafantrages gegen den Kanzler nicht fest. "Das werden wir uns in den Gremien anschauen", sagt Stögmüller. Dort sitzen Vertreter des Klubs und der Parteiführung. "Die Bewertung werden wir dann machen, wenn es soweit ist", wird im Büro von Kogler erklärt. Zu einem möglichen Koalitionsende nach einem etwaigen Strafantrag gegen den Regierungschef, heißt es: "Die Frage stellt sich derzeit nicht."
Die Parteispitze betont, dass die Justiz ungeachtet des Umstandes, dass es bei den Ermittlungen um den Bundeskanzler geht, ungestört alles aufklären könne. Kurz habe selbst die Möglichkeit, zu den Vorwürfen einer Falschaussage auszusagen. Kurz hat diese öffentlich bestritten. Es geht um Vorwürfe wegen seiner Aussagen im U-Ausschuss zur Bestellung von Thomas Schmid zum Chef der Verstaatlichten-Holding Öbag sowie zur Auswahl der Aufsichtsräte, wobei sich die WKStA auf Chatverläufe aus dem sichergestellten Handy Schmids stützt.
"Garant für Rechtsstaatlichkeit"
Als Oppositionspartei war es den Grünen besonders wichtig, Missstände aufzuzeigen und als Kontrollpartei wahrgenommen zu werden. Die Grünen seien auch in der Koalition mit der ÖVP der "Garant für Rechtsstaatlichkeit", sagte Kogler am Freitag im Ö1-"Mittagsjournal". Mit seiner Partei werde es das nicht geben, dass das Verfahren aus politischen Gründen "derschlagen" werde.
Innerhalb der Grünen stellt man sich zwar darauf ein, dass Kurz nach einem Strafantrag vor einem Einzelrichter Platz nehmen muss. Zugleich wird aber nicht damit gerechnet, dass es zu einer Verurteilung kommt. Als Grund wird angeführt, dass der Vorsatz für eine Falschaussage nachgewiesen werde müsse. Auch der Strafrechtler Klaus Schwaighofer bezweifelte gegenüber der "Wiener Zeitung", dass sich der Vorsatz von Kurz nachweisen lässt.
Kurz hat mehrfach erklärt, er habe vorsätzlich keine Falschaussage gemacht. Kommt es zu keiner Verurteilung, bliebe den Grünen das Worst-Case-Szenario erspart, wie es mit der türkis-grünen Koalition in diesem Fall weitergeht und auch die Entscheidung über vorzeitige Neuwahlen.
Noch ein Unterschied wird betont. Kurz wie auch Finanzminister Blümel werden von der Anklagebehörde zwar jeweils als Beschuldigte geführt. Dennoch handle es sich um zwei unterschiedliche Verfahren. Jenes gegen den Finanzminister habe "eine ganz andere Substanz", gehe es dabei doch um ein Korruptionsverfahren im Zusammenhang mit etwaigen Parteispenden im Gegenzug zu politischer Unterstützung. Bei Kurz gehe es um den Vorwurf der Falschaussage, obwohl dies "auch kein Kavaliersdelikt" sei, heißt es aus der Partei. Finanzminister Blümel hat wie Kurz die Vorwürfe bestritten.
Anträge zu Verfahren möglich
Ungemach droht der grünen Parteiführung beim Bundeskongress, zu dem bereits für 13. Juni nach Linz geladen wurde. Anträge zum Umgang der kleineren Regierungspartei mit den Fällen Kurz und Blümel können noch eingebracht werden.
Vorerst ist eine Rede Koglers zur Perspektive nach der Corona-Krise neben der nachträglichen Bestätigung von Kunststaatssekretärin Andrea Mayer und Gesundheits- und Sozialminister Wolfgang Mückstein Fixpunkt. Aber je nach weiterer Entwicklung gilt es als sicher, dass die Justizverfahren und das Verhalten der Grünen beim Kongress zur Sprache kommen werden.