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Grüner Umfaller droht

Von Christian Rösner

Politik

In Sachen mehrheitsförderndem Wahlrecht zeigen sich die Grünen nicht mehr so kämpferisch. Gewählt werden soll im Juni.


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Wien. Im rot-grünen Regierungsübereinkommen von 2010 steht, dass die Wahlrechtsreform "bis längstens 2012" ausgearbeitet sein soll (siehe Wissenskasten). Kommendes Jahr ist Wahljahr und es gibt noch immer keine Einigung der Koalitionspartner. "Mittlerweile haben wir tatsächlich alles fertig, bis auf die eine Frage", sagt der grüne Klubchef David Ellensohn im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Doch genau diese Frage ist eine, die man bei den Grünen nicht selten als Koalitionsbedingung ins Feld geführt hat: Es geht um die Frage des mehrheitsfördernden Wahlrechts, das der SPÖ im Jahr 2005 bei 49 Prozent der Wählerstimmen 55 Mandate beschert hat und im Jahr 2010 mit 44 Prozent 49 Mandate. Die Grünen wollten im Zuge der Reform der SPÖ mindestens zwei Mandate wegnehmen.

Dass die SPÖ - und allen voran Bürgermeister Michael Häupl - an der bestehenden Form der Mandatsverteilung festhalten will, ist kein Geheimnis. Aber ebenso nicht, dass es angesichts der derzeitigen Umfragewerte für die SPÖ fatal wäre, wenn jetzt gewählt werden würde. Insofern hätten die Grünen einen Trumpf in der Hand, den sie sich allerdings nicht getrauen, auszuspielen. Zumindest sieht es im Moment so aus. Denn Ellensohn ist nach wie vor optimistisch, dass es bis zur letzten Landtagssitzung in diesem Jahr am 27. November noch zu einer Einigung kommen wird. "Und wenn Plan A nicht funktioniert, dann müssen wir eben Plan B nehmen. Und Plan B wird so aussehen, dass wir am Tag nach dem 27. November einen neuen Plan diskutieren." Außerdem könne man noch immer bis kurz vor der Wahl jederzeit einen Sonderlandtag zu diesem Thema einberufen, meint Ellensohn. Und ein Plan B könne vieles bedeuten: Es gleich bleiben lassen, den nächsten Koalitionsvertrag unterschreiben, jedem seine eigenen Anträge machen lassen und so weiter.

"Andere Dinge wichtiger"

Darauf angesprochen, wie glaubwürdig die Grünen noch sein werden, wenn sie der SPÖ in dieser Frage klein beigeben, meint Ellensohn: "Ich persönlich finde, die größte Ungerechtigkeit beim Wahlrecht ist nicht die Verzerrung bei der Mandatsverteilung, sondern dass jemand gar nicht mitstimmen darf." Demnach sei ihm ein Wahlrecht mit EU-BürgerInnen und Drittstaatsangehörigen wichtiger als die Frage des mehrheitsfördernden Wahlrechts. Nachsatz: "Was ist schon glaubwürdig. Wir sind eine 12,6-Prozent-Partei. Nein, wir setzen nicht 100 Prozent aller Forderungen um." Das sind natürlich Aussagen, welche die Opposition als "glatten Umfaller" bezeichnen würde und die SPÖ bereits jetzt zum Jubeln veranlassen könnte.

Bei der SPÖ selbst gibt man sich wortkarg, was die Wahlrechtsreform betrifft. "Wir sind heftigst in der Endphase und so schaut’s zurzeit aus", sagt Klubchef Rudolf Schicker. Dennoch lässt er durchblicken, dass es nicht so rund läuft, wie man sich das erwartet hätte: "Je mehr sich eine Seite versteift, desto schneller versteift sich die andere", so Schicker.

FPÖ macht eigenen Vorschlag

Die FPÖ hat unterdessen am Donnerstag ihr eigenes Wahlrecht präsentiert - denn sie befürchtet eine "hatscherte" Lösung vonseiten der rot-grünen Stadtregierung, wie es FPÖ-Mandatar Dietbert Kowarik ausdrückte. Konkret schlägt er vor, so in den Berechnungsschlüssel der Mandate einzugreifen, dass eine absolute Mehrheit nur noch bis zu einem Stimmenergebnis zwischen 48 und 49 Prozent möglich wäre. Diese "Restunschärfe" müsse aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, so Kowarik: Denn all jene Parteien, die den Einzug ins Stadtparlament nicht schaffen, gehen folglich bei der Mandatsverteilung leer aus. Diese theoretischen Mandate werden dann anteilsmäßig den im Wiener Gemeinderat vertretenen Fraktionen zugewiesen.

Umgelegt auf die Wahl von 2010 würde die SPÖ mit 44 Prozent dann nur 46 statt 49 Mandate erhalten. Die ÖVP mit knapp 14 Prozent 14 statt 13 Mandate. Die Grünen mit 12,6 Prozent 13 statt 11 Mandate. Und bei der FPÖ mit 25,7 Prozent würde sich an den 27 Mandaten nichts ändern. "Die Freiheitlichen haben also gar nichts davon, aber es ist uns aus demokratiepolitischer Sicht ein großes Anliegen", so Kowarik. Der Vorschlag soll auf jeden Fall in Form eines Initiativantrags bei der nächsten Ausschuss-Sitzung eingebracht werden - mit der Hoffnung, dass ÖVP und Grüne zustimmen werden. "Denn dann gibt es keine Ausreden mehr für die Grünen", meint Kowarik.

Wahltermin 14. Juni 2015

Was den Wahltermin selbst betrifft, so ist aus SPÖ-Kreisen zu hören, dass der 14. Juni - und damit eine Vorverlegung der Wahl - schon sehr konkret sein dürfte: Die Partei könnte damit den Rückenwind eines gelungenen Songcontests im Mai nutzen und würde vermeiden, während der Sommermonate die Nähe zur Stammwählerschaft zu verlieren. Beziehungsweise könnte sie damit auch der Gefahr entgehen, dass das eine oder andere Thema während des "Sommerlochs" negativ aufgebauscht werden könnte. Aus diesem Grund habe man die erst vor zwei Jahren nach hinten verschobene Klubtagung in Rust strategisch auch wieder in den Februar vorgezogen.

Bei den anderen Parteien zeigt man sich auf jeden Fall gewappnet: Während die FPÖ laut Kowarik jederzeit "Gewehr bei Fuß" steht, haben sich die Grünen darauf vorbereitet, bis zum Schluss durchzuarbeiten. "Aber natürlich bereiten sich die Grünen auch darauf vor, dass die Wahl eventuell im Juni stattfindet. Denn die SPÖ wird den Wahltag taktisch dort hinlegen, wo sie sich in den Umfragewerten erholt haben. Denn die derzeitigen 35 Prozent sind für die SPÖ kein großer Anreiz, Wahlen auszurufen", meint Ellensohn dazu.

Und auch bei der ÖVP ist man auf alles gefasst: "Wann immer die Wahl sein sollte, wir sind vorbereitet", sagt Parteichef Manfred Juraczka. Und: "Wir rechnen damit, dass das vor dem Sommer sein wird."

Passage aus dem Regierungsübereinkommen zur Wahlrechtsreform:

  • Ziel ist ein modernes Verhältniswahlrecht.

  • Die Briefwahl muss das direkte und geheime Wahlrecht sicherstellen sowie Manipulation und Missbrauch ausschließen.

  • Ziel ist es, das Wahlrecht für in Wien hauptwohnsitzgemeldete EU-BürgerInnen auf Gemeinderatsebene, für Drittstaatsangehörige (nach noch festzulegender Aufenthaltsdauer) auf Gemeinderats- und Bezirksebene zu erreichen. Die Wiener Stadtregierung setzt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für eine bundesverfassungsgesetzliche Änderung ein.

  • Zur Konkretisierung der beschriebenen Vorhaben wird eine Arbeitsgruppe "Wahlrechtsreform" unter Einbeziehung von ExpertInnen eingerichtet. Deren Arbeit beginnt mit Konstituierung im Jahr 2010 und endet mit der legistischen Umsetzung bis längstens Ende 2012.