Zum Hauptinhalt springen

Grünes Gas in der Warteschleife

Von Marijana Miljković

Wirtschaft

Die Gaswirtschaft pocht auf einen rechtlichen Rahmen für den Ausbau von Biogasanlagen, denn das Potenzial ist groß.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Unbestritten ist, dass Biogas großes Potenzial hat, fossiles Gas zu ersetzen und damit die Abhängigkeit von Lieferungen aus Russland zu reduzieren. Doch in Österreich wird es aus mehreren Gründen nicht gehoben. Einerseits wird der Großteil des heimisch hergestellten Biomethans zur Stromerzeugung verwendet, weniger als ein Prozent wird ins Gasnetz eingespeist. Andererseits war der Gaspreis bisher zu niedrig, um es lohnend zu machen - daher die Verstromung des wertvollen Stoffs, die noch dazu staatlich gefördert wurde. Zudem fehlte bisher ein rechtlicher Rahmen, der Investitionen in den Ausbau von Biogasanlagen weniger risikobehaftet machte.

Das alles ändert sich aber durch Russlands Krieg in der Ukraine, die steigenden Energiepreise und die bereits eingetretene Klimakatastrophe. "Die Zeitenwende besteht nicht darin, dass wir aus fossilen russischen Gasimporten aussteigen, sondern, dass der Interessengegensatz zwischen Ökologie, Ökonomie und Sicherheitspolitik aufgehoben ist", sagte Ökonom Christian Helmenstein vergangene Woche zur "Wiener Zeitung".

Ersatz für russisches Gas

Österreich könne rasch 20 Prozent der russischen Importe durch heimisches Biomethan ersetzen, war unter anderem das Fazit einer Studie von Helmensteins Economica Institut. Auch die österreichische Energieagentur (AEA) errechnete im Auftrag des Klimaministeriums unter Leonore Gewessler (Grüne) im Vorjahr, dass Österreich 20 Terawattstunden (TWh) an erneuerbaren Gas aus biogenen Reststoffen zur Verfügung stehen werden - allerdings erst 2040. Auch im Energiemix, der laut einer Berechnung der AEA Österreich bis 2027 unabhängig von russischen Gaslieferungen machen sollte, ist Biogas mit sechs TWh enthalten, bei der Annahme, dass der Gasverbrauch dann 67 TWh ausmachen wird. Derzeit liegt der heimische Gasverbreich bei 90 TWh, der Biomethananteil ist mit 0,15 Prozent verschwindend gering.

Für den Ökonomen Helmenstein, der auch die Industriellenvereinigung berät, sind die Pläne der Regierung nicht ambitioniert genug, und der heimischen Gaswirtschaft geht es nicht schnell genug. Sie pochen auf ein Gesetzespaket, das Investitionssicherheit bietet und den Ausbau von Biomethananlagen rasch vorantreibt. "Das Gesetz liegt fertig in der Schublade des BMK. Warum eine grüne Partei das nicht beschließen will, verstehe ich nicht", sagt Michael Mock, Geschäftsführer des Fachverbands Gas Wärme (FGW). Auf Nachfrage heißt es aus dem Klimaministerium dazu: "Das Grüngas-Gesetz ist derzeit in der politischen Abstimmung."

Versicherungsfonds für Biogas

Die Branche erwartet sich vor allem Sicherheit für den Fall, dass der Gaspreis wieder sinken sollte. Helmenstein hält das zwar für wenig wahrscheinlich, schlägt aber vor, eine Art Versicherungsfonds zu installieren: "Was es jetzt braucht, ist eine Risikoprämie, falls der Gaspreis unter ein noch zu definierendes, bestimmtes Niveau fallen würde."

Dem Argument, dass dies ein Haftungsrisiko für die öffentliche Hand wäre, stellt der Ökonom den Vorschlag entgegen, dass ein Stabilitätsbeitrag eingehoben werden könnte. "Dieser könnte in einem Fonds angespart werden, der als Versicherungsfonds für die Branche erhalten bliebe, für den Fall, dass der Gaspreis unter ein bestimmtes Niveau fallen würde. Wir sollten jetzt damit beginnen, denn jetzt haben wir die hohen Preise und jetzt könnten wir den Fonds besonders gut speisen," so Helmenstein.

Zum Thema Marktprämien und Anreize zum Anlagenausbau heißt es aus dem Ministerium: "Eine Quotenvorgabe soll künftig festhalten, wie hoch die Anteile an grünem Gas pro Versorgungsunternehmen sind. Diese wird sich am Gasverbrauch der Unternehmen orientieren."

Wird Biogas künftig also hauptsächlich der Industrie vorbehalten bleiben? "Wir müssen auf andere Energiequellen umsteigen, wo immer das möglich ist. Klar ist aber auch: Es wird weiterhin Bereiche geben, die auf gasförmige Energie angewiesen sind. Das werden in erster Linie Industrie- und Gewerbebetriebe sein, das kann vereinzelt aber auch Haushalte betreffen", heißt es aus dem Büro von Ministerin Gewessler.

Das Klimaministerium hatte das Grüngas-Paket aus dem Erneuerbaren Ausbau Gesetz entkoppelt. Zuletzt hatte die Begutachtungsfrist für das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz geendet. Dieses regelt die Wärmeversorgung von Gebäuden, und auch darin geht es um Biogas. Während sich Interessenvertreter wie FGW dafür aussprechen, dass Gasheizungen künftig auch mit Biogas betrieben werden können (und auch über 2040 hinaus, wenn es ein Aus für Gasheizungen geben soll), sind Umweltorganisationen dagegen.

"Die tatsächlichen Potenziale für grünes Gas sind sehr begrenzt, die Herstellung ist teuer. Daher müssen erneuerbare Gase prioritär dort eingesetzt werden, wo es noch keine Alternative gibt, also zum Beispiel in der Stahlindustrie. Völlig verfehlt ist hingegen der Einsatz in der Raumwärme, weil es dort längst klimafreundlichere Möglichkeiten gibt", sagte etwa der WWF-Energiesprecher Karl Schellmann im Rahmen der Debatte.