)
Im Kampf um Förderungen für erneuerbare Energien und Subventionen für die Industrie ergeben sich in Deutschland ungewohnte Koalitionen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Berlin. Die Zeit drängt: In nicht einmal einer Woche, am 8. April, will Deutschlands schwarz-rotes Kabinett das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschließen. Bis zur Sommerpause soll die Reform in Bundestag und Bundesrat beschlossen werden, um ab Anfang August in Kraft treten zu können. So weit die Theorie. In der Praxis wächst sich das EEG immer mehr zu einem bürokratischen Monster aus, das bereits jetzt 300 Seiten umfasst. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel haben daher Dienstagabend die Ministerpräsidenten zum Gipfel geladen.
"Wenn wir an einer Stelle mehr Geld ausgeben, müssen wir versuchen, an einer anderen Stelle etwas einzusparen", so die wenig subtile Ansage Merkels an die Länderchefs. Soll heißen: Es gibt kaum Spielraum für Änderungswünsche. Mit 23,5 Milliarden Euro fördert Deutschland allein 2014 die erneuerbaren Energien. 6,24 Cent je Kilowattstunde zahlt ein Haushalt für die in den vergangenen Jahren stetig gestiegene EEG-Umlage, das macht durchschnittlich 215 Euro pro Jahr für grünen Strom und gutes Gewissen.
Windkraft kontra Biogas
Die Industrie droht angesichts hoher Preise mit dem Abzug Richtung USA oder China. Sozialdemokrat Gabriel kommt der Wirtschaft mit dem Dienstag vorgestellten Entwurf entgegen. Diesem zufolge sind alle laufenden und zur Eigenversorgung dienenden Industrie-Kraftwerke von der Abgabe der Öko-Förderung befreit - rund ein Viertel des deutschen Industriestroms stammt aus dem Eigenverbrauch der Konzerne. Gabriel gibt damit dem Druck aus den drei Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg nach, deren dort befindliche Unternehmen besonders betroffen gewesen wären. Der Kampf für die Industrie macht also auch vor den Öko-Parteien nicht Halt: Denn Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden rot-grün regiert, in Baden-Württemberg amtiert Deutschlands einziger grüner Ministerpräsident und koaliert mit der SPD. Während der Westen und der Südwesten um die Industrie kämpfen, hat in Norddeutschland - in Niedersachsen regiert die CDU - die Förderung der Windkraft Priorität; dort will man die Deckelung des Baus neuer Windräder auf die Kapazität von 2,5 Gigawatt pro Jahr nicht hinnehmen. Und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer spielt wie immer sein eigenes Spiel. Er bevorzugt Biogas-Anlagen und protestiert gegen den Bau einer 450 Kilometer langen Stromtrasse zwischen Sachsen und Bayern - die er noch im vergangenen Jahr mitgetragen hat.
Wenig erstaunlich ob der internen Differenzen der Bundesländer hat die Regierung bisher leichtes Spiel. Und ausgerechnet die Entwicklungen um die Ukraine kommen Berlin entgegen. "Wir müssen die Energiewende planbarer machen", sagte Gabriel gegenüber der ARD. Bedeutet also Kosten senken. Laut dem Minister gebe es zudem "keine vernünftige Alternative" zum Import von Erdgas aus Russland. Ohnedies will Gabriel keine Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Dementsprechend entsetzt reagiert die Ökostrom-Branche: Mit dem EEG werde man noch abhängiger vom russischen Gas, warnt Fritz Brickwedde, Präsident des Bundesverbandes erneuerbare Energie. 380.000 Menschen arbeiten in Deutschland im Bereich alternative Energien. Ihre Lobby ist aber nicht groß genug.