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Grünes Licht

Von WZ-Korrespondent Frank Nordhausen

Politik

Durch Pläne der USA und der Türkei wird de facto eine Flugverbotszone in Syrien etabliert.


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Istanbul. Im Grenzgebiet Syriens zur Türkei wird eine militärisch gesicherte Flugverbots- und Pufferzone gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingerichtet. Die US-Regierung bestätigte entsprechende türkisch-amerikanische Pläne. Laut US-Medienberichten gab Präsident Barack Obama nach monatelangen Beratungen grünes Licht für das Vorhaben und erklärte, dass die US-Luftwaffe diese Region gegen jedwede Angreifer und auch gegen eventuelle Luftangriffe des Regimes von Bashar al-Assad verteidigen werde. Damit wird de facto eine Flugverbotszone zwischen den syrischen Städten Dscharablus und Azaz etabliert. Diese ist laut türkischen Medien rund 100 Kilometer lang und bis zu 65 Kilometer tief.

Die Türkei drängt seit dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs vor vier Jahren auf die Einrichtung einer solchen Pufferzone entlang ihrer Grenze. Ankara verspricht sich davon Entlastung in der Flüchtlingskrise. Seit 2011 hat das Land rund zwei Millionen Syrer aufgenommen; sie sollen in neue Lager in der Pufferzone umgesiedelt werden. Den syrischen Rebellen will Ankara mit der Zone einen wirkungsvolleren Kampf gegen das Assad-Regime ermöglichen, vor allem aber verhindern, dass die syrischen Kurden einen unabhängigen Staat gründen, der auch auf die türkischen Kurden ausstrahlt. Anders als Obama will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eher eine Kurden- als eine IS-freie Zone schaffen.

Komplizierte Verhältnisse

Die Freund-Feind-Verhältnisse sind unübersichtlich und kompliziert. So belastet der Konflikt mit den Kurden die türkische Allianz mit den USA. Auch am Montag flog die türkische Luftwaffe Angriffe auf Stellungen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die mit der in den syrischen Kurdengebieten regierenden Partei der Demokratischen Union (PYD) verbündet ist. Die syrischen Kurden haben wiederum mit Luftunterstützung der USA im Juni zwei ihrer drei unabhängigen Kantone vereinigt und wollen im Westen nun auch die letzte Lücke zwischen den Kantonen schließen.

Genau dort liegt die geplante Sicherheitszone, eine Region, die derzeit überwiegend vom IS und zu einem kleineren Teil von Milizen der Freien Syrischen Armee (FSA) kontrolliert wird. Die FSA gilt als moderat, kämpft aber gemeinsam mit radikalen islamistischen Gruppen wie der Al-Nusra gegen das Assad-Regime.

Al-Nusra nimmt dabei wenig Rücksicht auf ihre jeweiligen Ad-hoc-Verbündeten. Laut CNN musste die US-Luftwaffe am Freitag erstmals eine der von ihnen ausgebildeten Rebellengruppen aus der Luft unterstützen, nachdem diese von der Nusra-Front angegriffen worden waren. Dabei wurden sechs der von den US-Militärs geschulten Rebellen getötet.

Laut türkischen Medien haben die USA ohnehin Probleme, genügend moderate Rekruten für ihre "New Syria Force" zu finden und in der Türkei zu trainieren. Laut der Zeitung "Zaman" sollen bisher statt der angepeilten 5000 nur rund 60 Rebellen ausgebildet worden sein. Umgekehrt schießen die Einheiten Assads aber bisher nicht auf US-Kampfflugzeuge, die IS-Stellungen bombardieren.

Die geplante Sicherheitszone ist Teil eines Deals Washingtons mit Ankara nach dem verheerenden Selbstmordanschlag eines IS-Anhängers in der türkischen Grenzstadt Suruc vor zwei Wochen. Die Türkei gab daraufhin dem monatelangen Drängen der USA nach, die Nato-Basis Incirlik nahe der syrischen Grenze für Luftangriffe zu öffnen. Damit verschieben sich die Kräfteverhältnisse im syrischen Bürgerkrieg erheblich. Doch ist bisher völlig unklar, wer die Sicherheitszone am Boden erobern soll. Da die US-trainierten Rebellen offensichtlich zu schwach sind, sollen nun 5000 türkischstämmige, in der Türkei trainierte Turkmenen aus Syrien den Angriff vortragen, zitierten türkische Medien Erdogan. Zuvor war von einer solchen Truppe nie die Rede.

Assads Regime geschwächt

Damaskus hatte stets vor der Einrichtung einer Pufferzone in Nordsyrien gewarnt und mit Angriffen gedroht. Inzwischen ist das Regime möglicherweise nicht mehr dazu in der Lage. Der syrische Diktator Assad hatte kürzlich zugegeben, dass seine Armee Gebiete geräumt habe, weil sie nicht mehr über genug Soldaten zu deren Sicherung verfüge.

Möglicherweise gibt es auch Verhandlungen mit weiteren Akteuren über eine grundsätzliche Lösung des Syrien-Konflikts. Erdogan erklärte kürzlich, sein russischer Kollege Wladimir Putin habe ihm im Juni gesagt, dass er seine Haltung Damaskus gegenüber geändert habe und nun "weit positiver über eine Zukunft ohne Assad" denke: "Ich glaube, er ist dabei, Assad fallen zu lassen." Die Türkei und Russland nehmen bisher gegensätzliche Positionen ein: Ankara wünscht Assads Sturz, Moskau ist einer seiner wichtigsten Verbündeten. Erdogan sagte nicht, welchen Preis Putin für einen Seitenwechsel fordern würde.