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Die Geschichte der Öko-Partei gleicht einem Musterungsprozess.
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Robert Habeck ist zurzeit der beliebteste Grüne in Österreich. Dynamisch, liberal, konform, bürgerlich. Ganze Titelstorys werden ihm gewidmet. So einen brauchen wir auch. So einen hätten wir gerne. Der "Standard" gestaltete Mitte November eine Art Sonderausgabe für den Mann aus dem Norden. Unter dem Titel: "Der größte Hit der deutschen Öko-Party" hieß es, "Partyraketen" wie er seien auch hierzulande gesucht. Noch dazu verfüge der Mann über den "Brad-Pitt-Fakor". Na dann.
2013 war das noch umgekehrt. Vor fünf Jahren landeten die deutschen Grünen bei der Bundestagswahl hinter der Linken und kamen auf magere 8,4 Prozent. In Österreich fuhr gleichzeitig die Schwesterpartei unter Eva Glawischnig veritable 12,4 Prozentpunkte ein. "Wie machen das die österreichischen Grünen?", lautete die damals gestellte Frage. Baff schauten die Deutschen nach Österreich. Baff schauen die Österreicher nun nach Deutschland.
Auf die Frage, was Habeck besser macht, gibt es nicht nur keine originelle Antwort, sondern überhaupt keine. Aber zweifellos tut er, was erwartet wird. Und er bringt es eloquent und schlagwortfertig rüber. Das reicht. Wer nicht mehr will, ist damit gut bedient. Die Grünen sind (mehr als alle anderen Parteien) Verschubmasse im kulturindustriellen Ränkespiel der Politik. Einmal werden sie kräftig angeschoben, dann wieder fast abgemurkst. Ihr Beitrag zu Erfolgen wie Misserfolgen ist äußerst beschränkt.
Gelegentlich gibt es aber auch Betriebsunfälle. Aktuell etwa bei den Wiener Grünen. Die wählten doch tatsächlich Birgit Hebein. "Natürlich mach ich linke Politik. Was denn sonst?", sagte die frisch gekürte Wiener Landesvorsitzende, die übrigens auch keine Annalena Baerbock (Co-Parteichefin der deutschen Grünen, Anm.) ist.
Peter Kraus hätte WiensRobert Habek werden können
Das wird nicht gehen, aber schon die Ansage ist wohltuend gegenüber dem standardisierten Brei der Angepassten und Unterworfenen. Wer sich nicht in der Mitte tummelt, ist gleich des Extremismus verdächtig, Fundi heißt man dann oder Irrealo. Damit hat man die Debatte schon gewonnen, obwohl man nichts geleistet hat, sieht man von der Denunziation ab. Aber es funkt, kommt rüber, geht rein. "Die verschreckt doch die bürgerlichen Wähler . . ." - "Sprengt diese Frau Rot-Grün?" - "Wie will sie einen weiteren Absturz der Grünen verhindern?" - "Mit Grünen-Chefin droht Neuwahl." So und ähnlich ätzte der Boulevard. Gleichzeitig wurde Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) Unterstützung signalisiert, sollte er die Koalition mit den Grünen auflösen. Ludwig ist jedoch vorsichtig, denn werden die Grünen in Wien halbiert oder scheitern gar an der Fünf-Prozent-Hürde, ist Blau-Schwarz in Wien nicht mehr zu verhindern, und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wird Bürgermeister.
Derweil hätten die Hauptstadt-Grünen in Peter Kraus einen richtigen Habeck gehabt. Der noch junge Mann muss nun auf später vertröstet werden. Wahrscheinlich zu Recht, wenn nicht vorher ein Abgang ins Business attraktiver erscheint. Eva Glawischnig, die ehemalige Vorsitzende der österreichischen Grünen, die 2013 den deutschen Freunden noch zeigen sollte, wo es langgeht, hat inzwischen beim Glücksspielkonzern Novomatic angeheuert. Dort ist sie verantwortlich für Nachhaltigkeit, was meint: Youngsters sollen nur insoweit abgezockt werden, auf dass sie auch in Zukunft weiterspielen können. Über die einst umjubelte grüne Eva rümpft man heute in der Öko-Partei nur noch die Nase.
Suggestive Leistungen verfehlen durch penetrante Wiederholung nicht ihre Wirkung. Da unterscheiden sich Qualitätsmedien und Boulevard kaum. Das Schauspiel "Wie gestalten wir die Grünen?" ist so alt wie folgenreich. Wo die guten und die bösen Ökos sitzen, sagt uns das mediale Regietheater so lange, bis die bösen brav oder weg sind. Die Inszenierung ist letztklassig, läuft aber schon seit Mitte der 1980er Jahre, Die Grünen wacheln im Wind, niemand ist dermaßen von einer guten Schlagzeile abhängig wie sie. Und auch wenn sie sich manchmal sträuben, erfüllen sie die Vorgaben gleich Aufträgen.
Die Geschichte der Grünen, da wie dort, gleicht einem Musterungsprozess. Folgsame werden abgefeiert, Unfolgsame ausgesondert. Die Souveränität der Partei tendiert dabei gegen null.
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