Die Grünen könnten nach einem dramatischen Absturz den Einzug in den Nationalrat verpassen. Daran hat auch Pilz einen Anteil.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. "Es wird am Wahltag so sein wie bei uns, auch uns wurden Verluste prognostiziert und dann haben wir dazugewonnen." Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der deutschen Grünen, sollte mit seiner Einschätzung beim grünen Wahlkampf-Finale daneben liegen. Und wie.
Dass die Grünen nicht dazugewinnen werden, war freilich erwartet worden. Auch ein deutlicher Verlust hätte niemanden überrascht. Dass aber jene Partei, die 1986 erstmals ins Parlament einzog und seither immerhin bis auf 12,5 Prozent wachsen konnten, aus dem Nationalrat hinausgewählt werden könnten - das schienen nicht einmal grüne Pessimisten zu befürchten.
Die Ökopartei wird wohl bis zum endgültigen Ergebnis am Donnerstag zittern müssen, ob sie in der kommenden Legislaturperiode im Nationalrat vertreten sein werden. In den Hochrechnungen am Wahltag, die bereits die Wahlkarten beinhalteten, lagen sie jedenfalls knapp unter der Vier-Prozent-Marke. Da die Ergebnisse auf besonders hohe Verluste in den Hochburgen hindeuteten, dürfte auch ein Einzug über (wenigen) Grundmandate kein Thema sein.
Dieser komplette Absturz der Grünen hat natürlich viele Gründe. Sollte der Einzug in den Nationalrat aber tatsächlich knapp verpasst sind, dann hätte dieses Fiasko ein Gesicht - jenes von Peter Pilz. Anders formuliert: Hätte der Alt-Mandatar beim Bundeskongress den von ihm avisierten vierten Listenplatz nicht verpasst - 14 Stimmen machten den Unterschied -, wären die Grünen unter Garantie eingezogen. Die anschließende Dynamik war für die Partei jedenfalls tödlich.
Doch zurück zum Start des grünen Desasters, das zugleich auch den Pilz’schen Aufstieg bedeutete: Den Sieg Alexander Van der Bellens, der Anfang Dezember zwar als unabhängiger Kandidat Bundespräsident wurde, bekanntermaßen aber langjähriger Spitzenpolitiker war, konnten die Grünen nicht für sich nutzen. Im Gegenteil: Schon wenige Tage danach stellte der spätere Abtrünnige Peter Pilz den Kurs der damaligen Parteichefin Eva Glawischnig in Frage. Die Grünen müssten raus "an die Stammtische", es brauche eine kantigere Politik. Solchen Linkspopulismus hielten andere, auch die Parteichefin, damals noch für verzichtbar.
Ruhe kehrte nicht ein, in der Partei rumorte es weiter. Im Zuge der ÖH-Wahlen eskalierten interne Konflikte, was schließlich im Rauswurf der Jungen Grünen Ende März gipfelte. Der Parteispitze gelang es nur noch kurz, Ablösegerüchte der Parteichefin im Zaum zu halten. Eva Glawischnig warf, auch gesundheitlich angeschlagen, am 18. Mai das Handtuch und legte alle ihre politischen Funktionen zurück.
Nach dieser Schwächung gelang es der Partei nicht, wieder geeint aufzutreten. Im Zuge des Bundeskongresses am 25. Juni wurden nicht nur die Europa-Politikerin Ulrike Lunacek zur Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl und Ingrid Felipe zur neuen Bundessprecherin der Grünen gekürt. Bei der Vergabe der Listenplätze verlor dann eben Peter Pilz den von ihm angestrebten vierten Listenplatz. Der ging an den 28-jährigen Julian Schmid.
Neue Anläufe von Grünund nun Grau
Die Pilz’schen Abschiedsworten: "Vielen Dank, auf Wiedersehen" richteten sich allerdings nur an die Grünen. Sorgfältig inszeniert stellte Peter Pilz im Sommer seine neue Liste vor. Von Beginn an mit dabei zum Beispiel Konsumentenschützer Peter Kolba und Maria Stern, die davor am Frauenvolksbegehren mitwirkte. Aber auch grüne Mandatare, die ebenfalls von der Basis nicht mehr mit sicheren Listenplätze bedacht wurden. Budgetexperte Bruno Rossmann etwa oder auch Kulturpolitiker Wolfgang Zinggl. Sie, ebenso wie Pilz, hatten großen Anteil daran, dass die Grünen parlamentarische Erfolge als Korruptionsaufdecker-Partei einfahren konnten.
Vor vier Jahren war die Kontrollarbeit der Grünen ein bedeutendes Wahlmotiv. Und auch diese Legislaturperiode war für die Grünen in dieser Hinsicht erfolgreich. Zudem konnte die Ökopartei in den wesentlichen Bundesländern (zusätzlich zu Wien und Kärnten) in die Landesregierungen einziehen. Auch hier: nicht unerfolgreich. In Wien verloren die Grünen 2015 zwar leicht, aber eben nur marginal und blieben in der Regierung. Ihre respektable Bilanz auf Landesebene, die nun auf Bundesebene überhaupt nicht kapitalisiert werden konnte, sorgte doch für Unverständnis bei den Funktionären auf dem Wahlfest.
Pilz konnte sich dagegen als Aufdecker und als Alternative behaupten. Umweltthemen spielten in seinem Wahlkampf praktisch gar keine Rolle. Die inhaltlich größte Unterscheidung zu seiner Ex-Partei war sein Schwerpunkt auf den "politischen Islam". Diesem sei entschieden entgegenzutreten. Damit wollte Pilz auch explizit Wähler von der FPÖ ansprechen. Das freilich dürfte ihm nicht rasend gut gelungen sein.
Dennoch wird Pilz aller Voraussicht nach den Einzug in den Nationalrat auf Anhieb schaffen. Die Grünen stehen dagegen vor einem Scherbenhaufen. Denn selbst bei einem knappen Einzug ins Parlament wird der grüne Klub nicht so aussehen, wie es die Partei geplant hatte. So scheint etwa nahezu ausgeschlossen, dass der Vorarlberger Harald Walser ein Mandat erhalten wird, nachdem die Grünen in seinem Bundesland massiv verloren. Walser hatte im Sommer den letzten parlamentarischen Erfolg der Grünen eingefahren. Er hatte in bei der Bildungsreform die Gesamtschul-Modellregionen noch hineinverhandeln können.
Willst du diesen Inhalt sehen? Gib den anderen Cookies grünes Licht.