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Grüngürtel statt Eiserner Vorhang

Von Marketa Kutilova, Prag, und Michael Schmölzer

Politik

Der ehemalige Eiserne Vorhang, der den Westen vom Osten Europas ideologisch spaltete, soll durch einen grünen Gürtel ersetzt werden. Die Idee, einen Grünstreifen vom nördlichen Eismeer bis zum Schwarzen Meer zu ziehen, ist an der ehemalig deutsch-deutschen Grenze bereits umgesetzt. Dort existiert eine durchgängige Waldfläche, die 1.393 Kilometer lang und 50 bis 200 Meter breit ist. Die Regierungen Tschechiens, Österreichs und Deutschlands stehen dem Projekt positiv | gegenüber. Auf Lokalebene regt sich aber Widerstand.


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So sind Regionalpolitiker in Südböhmen von der Idee alles andere als begeistert. "Als die Kommunisten den Eisernen Vorhang errichtet haben, wurde niemand gefragt. Und jetzt, wo Umweltorganisationen eine grüne Grenze errichten wollen, erfahren wir davon aus den Zeitungen", beschwert sich der südböhmische Bezirkshauptmann Jan Zahradnik. Seiner Ansicht nach sollte über das Projekt von der ansässigen Bevölkerung entschieden werden. Zahradnik ist vor allem besorgt, dass das Projekt wichtige Infrastrukturprojekte gefährden könnte, wie etwa den Ausbau von Straßen und Autobahnen. Denn die Region Südböhmen rechnet bereits fix mit der Errichtung einer Autobahn von Budweis nach Linz. "Jetzt wo der Eiserne Vorhang verschwunden ist, sollten wir nicht eine neue Barriere errichten", findet der Bezirkschef.

Die Umweltorganisationen versuchen zu beschwichtigen: "Die Errichtung von Straßen wird ja nicht komplett ausgeschlossen sein. Außerdem ist bereits ein großer Teil der Grenze zu Österreich und Deutschland Schutzgebiet", so Jaromir Blaha von der tschechischen Naturschutzorganisation "Hnuti Duha".

"Europäisches Naturerbe"

Dem kann Hubert Weiger, Chef des bayrischen "Naturschutzbundes", nur beipflichten: "Wir brauchen den Grüngürtel, er wird Bestandteil des gemeinsamen europäischen Naturerbes sein." Auch Josef Limberger vom "Naturschutzbund Österreich" ist begeistert: "Bei dem Projekt handelt es sich um eine große europäische Chance, die Artenvielfalt zu schützen und ein Gebiet zusammenzuführen, das früher getrennt war."

Befürwortet wird die Entstehung eines grünen Gürtels auch vom ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michael Gorbatschow, der schon eine beträchtliche Summe für den Aufkauf der erforderlichen Grundstücke im Grenzgebiet spendete. Das deutsche Umweltministerium hat bereits Geld zur Verfügung gestellt, auch Österreich will das Projekt sponsern. In einem "absehbaren Zeitraum", so Tschechiens Umweltminister, Libor Ambrozek, möchte auch das tschechische Umweltministerium erforderliche Gelder für den Ausbau der Grünflächen im Grenzgebiet bereitstellen.

Hoffnung auf EU-Gelder

Freilich: Die Gelder für die Entstehung eines solchen Gürtels sollten nicht nur aus der Staatskasse, sondern auch aus der Europäischen Union fließen. An vielen Orten des geplanten "internationalen Waldgürtels" wird die Neuanpflanzung von Bäumen allerdings gar nicht erforderlich sein, da die ehemaligen kommunistischen Regime in den osteuropäischen Ländern darum bemüht waren, den ursprünglichen, teilweise undurchdringlichen Waldwuchs zu erhalten.

Was auch für die österreichisch-tschechische Grenze gilt. "Für einen solchen Gürtel werden wir sicherlich nicht so viele Grundstücke aufkaufen müssen, wie es in Deutschland der Fall ist. Nur in Südmähren gibt es viele Agrarflächen, die zu Waldflächen umgestaltet werden müssten", so Karolina Sulova, Pressesprecherin des Prager Umweltministers.

Geplant ist, dass die neue grüne Grenze ab Fertigstellung von Naturschutzorganisationen in den einzelnen Ländern kontrolliert und geschützt wird.