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Gruß aus dem Geschmacksjenseits

Von Christina Böck

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Es ist eine beliebte urbane Legende. Jene von dem Bettler, der untertags seinen Hut aufstellt und auf der belebten Einkaufsstraße um ein paar Münzen buhlt. Und der dann am Abend, sozusagen zu Dienstschluss, den Straßenstaub von der Hose klopft und abgeholt wird - wahlweise vom Mercedes oder vom Rolls-Royce.

Mit diesem uralten Klischee, dieser billigen Ausrede, warum es eh nichts macht, wenn man sein Kleingeld für sich behält, erlaubte sich die U-Bahn-Postille "Heute" - derzeit auch mit Werbeflaggen großflächig auf den Wiener Straßenbahnen vertreten - am Montag einen Bilderscherz. Da hatte nämlich ein Leserreporter ein Foto eingeschickt, das die Redaktion mit dem Titel: "Diese Wiener Bettlerin beweist Stil" ins Blatt hob. Auf dem Bild zu sehen: eine Frau ohne Schuhe, aber mit einer Tasche mit den bekannten Initialen "LV". Dass eine solche Louis-Vuitton-Tasche ("falls echt", wie die Zeitung einschränkte) ab 1100 Euro zu haben ist, wurde auch flugs vorgerechnet.

Nun ist Spott über Armut ohnehin reichlich geschmacksjenseitig. Aber als Zeitung mit einer so hohen Auflage, wie "Heute"-Chefin Eva Dichand nicht müde wird zu betonen, sollte man sich vielleicht auch der Verantwortung bewusst sein, dass sich so ein Scherz weiterentwickeln kann. Es vergingen kaum ein paar Stunden, und das Foto landete auf der Facebookseite von H.C. Strache. Die Richtung, in die die Postings darunter gingen, kann man sich wohl vorstellen. Natürlich kann man sagen: Kann ja keiner ahnen, dass so ein "harmloses" Foto solche Reaktionen hervorruft. Man kann aber auch sagen: Doch, das muss man ahnen.