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Grüße an Onkel Wolf

Von Edwin Baumgartner

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Der Prozess ist vertagt, nicht aber das Problem: Jonathan Meese hat den verbotenen Hitlergruß gezeigt, wieder einmal - Teil einer Performance, nicht persönliche Meinung, wie der deutsche Künstler vor Gericht sagte.

Dieser Jonathan Meese, der in Frankfurt über sein Selbstporträt ein Bild Hitlers an die Wand klebte und darauf das Wort "Vater" schrieb und über den der deutsche Journalist Georg Dietz ausführte, sein Hitlergruß wirke wie eine Anrufung, dieser Jonathan Meese also soll bei den Bayreuther Festspielen 2016 Richard Wagners "Parsifal" inszenieren. Voriges Jahr reiste der russische Sänger Evgeny Nikitin von den Festspielen ab - die Medien waren auf seine Hakenkreuz-Tätowierung aufmerksam geworden.

Bayreuth scheint seine tiefbraune Vergangenheit nicht recht loszuwerden. Zu unreflektiert tritt da an die Stelle des schmerzhaften Befreiungsschlags der spielerische Umgang mit dem Gewesenen. Zu leicht macht man es jenen, die Wagner nicht trotz, sondern wegen Hitler schätzen, die künstlerische Provokation als ein zustimmendes Anstreifen misszuverstehen.

Jonathan Meese hält den Umgang mit dem Nationalsozialismus für ein provokantes künstlerisches Spiel - aber jeder Ort hat seine eigene Geschichte, die es zu beachten gilt. Das gleiche Spiel mag nicht an jedem Ort die gleiche Bedeutung haben. Nachfahrinnen jener Familie, in der Hitler als "Onkel Wolf" begrüßt wurde, sind heute Festspielleiterinnen. Die Verirrung der Vorfahren darf man ihnen nicht vorwerfen. Aber man darf von ihnen Geschichtsbewusstsein erwarten.