Als europäische Finanzministerin zu gelten, würde Dalia Grybauskaite vielleicht gefallen. Doch das EU-Budget sei auf wenige Bereiche eingeschränkt, räumt die für Finanzen und Haushalt zuständige Kommissarin ein.
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Eine nationale Finanzministerin könne leichter etwas verlangen und durchsetzen. Dalia Grybauskaite weiß, wovon sie spricht. Immerhin leitete sie vor ihrem Wechsel nach Brüssel das Finanzressort in Litauen. Als Kommissarin müsse sie nun eher mit Überzeugungsarbeit wirken, erklärte sie in einem Interview. Diese Arbeit wird Grybauskaite in den kommenden Wochen verstärkt aufnehmen müssen - eine Einigung unter den EU-Staaten zum Finanzrahmen für die Jahre 2007 bis 2013 ist nämlich noch nicht in Sicht.
Noch Ende des Vorjahres zeigte sich Grybauskaite kaum beunruhigt über das Beharren der Nettozahlerstaaten, das EU-Budget auf ein Prozent des Bruttonationaleinkommens zu beschränken. Dies sei mehr als politische Deklaration denn als Blockbildung zu verstehen. Sobald die ernsten Verhandlungen beginnen, würden die unterschiedlichen Prioritäten zu Tage treten. Dass das Zeitfenster für eine Kompromisslösung aber eng ist, ist auch der Haushaltskommissarin klar (siehe Artikel oben).
Am Vorschlag der Kommission, die Beiträge zum EU-Budget auf 1,14 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen, hält sie derzeit fest. Ohne eine Steigerung der Ausgaben könne die EU ihre Ziele nicht erreichen. "Mehr Europa für weniger Geld ist einfach nicht möglich", begründet Grybauskaite. Sollte es zu keiner Einigung kommen, würde dies weit reichende Folgen haben: So würde die Hälfte des EU-Budgets praktisch nicht ausgeweitet, eine langfristige Planung für Förderprogramme nicht möglich.
Auf Rückflüsse könnten die EU-Staaten dabei nicht vertrauen. Schon im Vorjahr erhielten die Länder - im Gegensatz zu den Vorjahren - keine Rückerstattung aus dem Gemeinschaftshaushalt. Denn die ihnen zustehenden Strukturmittel haben sie aufgenommen, berichtete Grybauskaite.
Die 48-jährige Wirtschaftswissenschafterin - und Trägerin des schwarzen Gürtels in Karate - gilt als Verfechterin einer rigorosen Haushaltspolitik. Ihre Karriere im Außen- und Europaministerium startete die Parteilose im Jahr 1991. Anfangs leitete sie das Europareferat, 1996 wurde sie Botschafterin in den USA, 1999 wechselte sie ins Finanzministerium. An den Beitrittsverhandlungen Litauens mit der EU war Dalia Grybauskaite federführend beteiligt.