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Grybauskaite Favoritin

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

EU-Kommissarin könnte es im ersten Wahlgang schaffen. | Land in der Krise. | Vilnius. Als EU-Budgetkommissarin musste Dalia Grybauskaite diese Woche ihren Landsleuten die traurige Wahrheit ankündigen, dass gegen Litauen ein Defizitverfahren der EU angestrengt wird. Als Präsidentschaftskandidatin in ihrer Heimat, wo am Sonntag gewählt wird, dürfte ihr dies aber trotzdem nicht schaden. Alle Umfragen sehen Grybauskaite als haushohe Favoritin für das Amt, das mit einer großen Machtfülle ausgestattet ist.


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Zuletzt hieß es in Umfragen, dass die 52-Jährige sogar eine absolute Mehrheit bekommen könnte. Damit wäre eine Stichwahl, wie sie üblicherweise in Litauen notwendig wird, hinfällig. Eine solche würde übrigens genau dann stattfinden, wenn auch das übrige Europa wählt: Am 7. Juni, wenn das EU-Parlament bestimmt wird.

Laut einer Ende April durchgeführten Meinungsumfrage kann die EU-Kommissarin mit rund 53 Prozent der Stimmen rechnen, ihre nächsten Konkurrenten, Sozialdemokraten-Chef Algirdas Butkevicius und Ex-Ministerpräsidentin Kazimira Prunskiene, kamen in der Umfrage auf 9 beziehungsweise 6 Prozent.

Dabei ist Grybauskaite erst im Februar in das Rennen um die Nachfolge des 82-jährigen Valdas Admakus eingestiegen. Das freilich erweist sich als Vorteil, denn so konnte sie nicht in die zahlreichen Intrigen der litauischen Innenpolitik verwickelt werden. Die Parteienlandschaft ist stark zersplittert, einige Parteien formten sich nur deshalb, um Einzelpersonen eine Plattform zu bieten. Teilweise durchaus erfolgreich: 2004 setzte sich überraschend Rolandas Paksas, der erst zwei Jahre zuvor eine Partei gegründet hatte, gegen den damals amtierenden Präsidenten Adamkus durch. Nach einer undurchsichtigen Affäre um seine Verbindungen zu Russland musste er freilich zurücktreten, wiederum Admakus folgte nach. Der Wahlerfolg der im April 2008 gegründeten Volksauferstehungspartei spülte im Herbst des Vorjahres Show- und Talkmaster Arunas Valinskas ins Amt des Parlamentsvorsitzenden.

Der parteifreien Grybauskaite dürfte nicht nur der allgemein herrschende Unmut über diese politische Kaste zu Gute kommen, sondern auch ihr Ruf als Wirtschaftsexpertin. Die Weltwirtschaftskrise hat das Land schwerer als die meisten in der EU getroffen. Das Wachstum im südlichsten der drei baltischen Staaten soll laut derzeitigen Prognosen heuer um 11,8 Prozent sinken, die Arbeitslosigkeit liegt schon bei 15,5 Prozent. Und das Defizit soll heuer auf 5,4 Prozent steigen und kommendes Jahr weiter klettern.