Zum Hauptinhalt springen

Guaidos Armee der Freiwilligen

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Mit Hilfslieferungen will Venezuelas selbsternannter Interimspräsident Guaido den regierenden Sozialisten ihre Macht nehmen. Scheitert sein Plan, droht eine unkalkulierbare Eskalation.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Caracas. Der Machtkampf in Venezuela spitzt sich zu: wieder einmal. Interimspräsident Juan Guaido setzt alles auf eine Karte. Am Wochenende sollen die humanitären Hilfslieferungen, geparkt in einem Lager in der kolumbianischen Grenzstadt Cucuta, endlich nach Venezuela gelangen. Wie das konkret gelingen soll, ist unklar. Guaido will jedenfalls an der Grenze anwesend sein. Die Spannung im Land ist riesig. Hunderttausende Menschen sind in den vergangenen Wochen für Guaido auf die Straße gegangen, sie sehnen den Sturz der seit 20 Jahren regierenden Sozialisten herbei.

Die venezolanische Opposition hat zehntausende Helfer vereidigen lassen. Eine Art Schwur auf die Verfassung, auf die Demokratie und eine faire Verteilung der Hilfe. Guaido selbst spricht von einer menschlichen Lawine, die erst Hilfe und dann Freiheit bringen soll.

Der Schlüssel zur Freiheit hat aber das venezolanische Militär in der Hand. Und deren Oberbefehlshaber, General Padrino Lopez, steht weiterhin auf der Seite der sozialistischen Machthaber um Präsident Nicolas Maduro. Der Regierungschef leugnete bis jetzt, dass es überhaupt eine humanitäre Krise in Venezuela gibt. Seine Stellvertreterin Delcy Rodriguez vermutet gar, dass die Medikamente und Lebensmittel aus den USA kontaminiert und krebserregend seien. Inzwischen kündigte Maduro an, dass dafür Russland 300 Tonnen Medikamente geschickt habe. Ein verstecktes Eingeständnis, dass es in den venezolanischen Krankenhäusern doch eine Versorgungskrise gibt. Guaido bleibt nur, an die Militärspitze zu appellieren: "Lassen Sie die Hilfe durch und helfen sie uns die Freiheit zu erreichen."

Bevor es am Samstag zum Kräftemessen zwischen Guaidos Armee der Freiwilligen und Maduros Militär kommt, haben die Künstler das Wort. Auf beiden Seiten der Grenze. In Cucuta an der kolumbianischen Seite laufen die Vorbereitungen für ein Benefiz-Konzert, organisiert vom britischen Milliardär Richard Branson. Zugesagt haben Stars wie Peter Gabriel und Juanes. Mehr als 100 Millionen Dollar sollen per Spenden des via Live-Stream übertragenen Konzertes für Notleidende gesammelt werden -eine ambitionierte Summe.

Auch auf der anderen Seite der Grenzbrücke Simon Bolivar wird gesungen. "Hände weg von Venezuela" heißt dort das Motto. Venezolanische Künstler sollen sich gegen eine militärische Invasion imperialistische Kräfte wehren, hat Kommunikationsminister Jorge Rodriguez angekündigt. Und es soll eine weitere Gegenaktion geben: Venezuelas Regierung will 20.000 Lebensmittelpakete an hilfsbedürftige Kolumbianer in Cucuta verteilen.

Entscheidendes Wochenende

Die beiden Züge fahren aufeinander zu. Die Entscheidung, wer das Kräftemessen gewinnt, hat aber das venezolanische Militär. US-Präsident Donald Trump warnte die Armee-Spitze, sie könnte alles verlieren. Der Bischof von San Cristobal, der venezolanischen Grenzstadt rund eine Stunde von Cucuta entfernt, ruft die Militärs auf, ihre "Waffen nicht gegen die eigenen Brüder und Schwestern" zu erheben.

Für Maduro und Guaido geht es am Wochenende um fast alles: Lassen die Militärs die Hilfe passieren, wäre Maduro brüskiert und handlungsunfähig. Die bürgerliche Revolution nähme ihren Lauf. Dann könnte alles ganz schnell gehen. Blockiert die Armee die Hilfe womöglich mit Waffengewalt, wäre ihr Ansehen in jenem großen Teil des Volkes, der auf einen Wandel setzt, für immer zerstört. An Maduros Händen würde wieder einmal das Blut seiner Landsleute kleben. Guaido droht zu einer machtlosen Figur zu werden, die Amerikaner wären vorgeführt. Dann wird die Region erst recht zum Pulverfass.