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Guantánamo: Bush ist schuld!

Von Thomas Seifert

Leitartikel

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Einmal im Jahr sitzen die Washingtoner Machteliten - allen voran US-Präsident Barack Obama - mit dem Korrespondentenkorps des Weißen Hauses bei einem Festbankett zusammen. Der Präsident hält dann üblicherweise eine Rede, bei der er sich ein wenig über sich selbst, vor allem aber über den politischen Gegner lustig macht. Ein Festtag für die Redenschreiber im West Wing: Endlich darf - in Humor verpackt - ungeniert gesagt werden, was zu sagen ist.

Die beste Passage der heurigen Rede: Obama erinnert an die Eröffnung des George-W.-Bush-Archivs in Dallas am vorigen Donnerstag. US-Präsidenten richten nach ihrer Amtszeit ein präsidentielles Archiv ein, in dem die Dokumente und Memorabilien der Präsidentschaft für die Nachwelt aufbewahrt werden. Obama witzelt, dass er nach dem Ende seiner Präsidentschaft neben dem George-W.-Bush-Archiv ein "Bush ist schuld!"-Archiv errichten lassen wird.

Gelächter im Bankettsaal des Washingtoner Hilton Hotels, wo Journalisten und US-Nomenklatura zusammensitzen. Obama hat offenbar einen Nerv getroffen. Erst am Dienstag wurde er bei einer Pressekonferenz von Journalisten auf die offene Wunde des Internierungslagers in Guantánamo Bay angesprochen, wo derzeit dutzende Häftlinge im Hungerstreik sind. Obama sagte zwar nicht: "Bush ist schuld" - obwohl das durchaus nicht unberechtigt gewesen wäre. Er machte aber keinen Hehl daraus, dass Guantánamo, wenn es nach ihm ginge, längst geschlossen wäre. Er versprach einen neuen Anlauf zur Schließung: Guantánamo sei nicht notwendig für die Sicherheit der USA, es sei teuer (eben hat die Armee 200 Millionen Dollar für Guantánamo angefragt), ineffizient, ein Rekrutierungsinstrument für Extremisten und beschädige den Ruf der USA.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Von den 166 im Militärgefängnis Camp Delta inhaftierten Gefangenen sind drei verurteilt, und weitere sechs müssen sich vor dem Tribunal verantworten. Die meisten dürften Camp Delta eigentlich verlassen, weil gegen sie nichts mehr vorliegt. Diese Männer wollen endlich aus Kuba ausreisen. Das Internationale Rote Kreuz, die einzige Organisation, die Zugang zu den Häftlingen hat, berichtet von "beispielloser Verzweiflung" in Camp Delta. Guantánamo, soviel steht fest, würde im "Bush ist schuld"-Archiv eine äußerst prominente Rolle einnehmen.