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Guantanamo-Häftlinge: Unerwünscht in USA und Europa

Von Suzanne Gamboa

Politik

US-Staaten gegen Aufnahme | Washington. (ap) Schon vor der offiziellen Anordnung zur Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo wurde in vielen US-Staaten über die Folgen gestritten. Seit der neue Präsident Barack Obama seine Entscheidung gefällt hat, ist die Kontroverse über das Schicksal der 245 noch verbliebenen Guantanamo-Häftlinge erst richtig aufgeflammt. Wohin mit ihnen? Diese Frage wird in den US-Staaten einmütig folgendermaßen beantwortet: "Nicht zu uns!"


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Mehrere Kongressabgeordnete haben sogar Gesetzesinitiativen gestartet, um die Unterbringung der Häftlinge in ihrem jeweiligen Staat zu verhindern. Die angegebenen Gründe sind vielfältig: kein Platz in den Gefängnissen oder zu große Nähe zu Ballungszentren. Duncan Hunter, republikanisches Mitglied des Repräsentantenhauses aus Kalifornien, will ausschließen, dass die "feindlichen Kombattanten" auf den kalifornischen Militärstützpunkt Camp Pendleton verlegt werden. Sein Parteifreund Henry Brown aus South Carolina will sie nicht auf dem Marinestützpunkt Brig in seinem Staat, sondern in Fort Leavenworth in Kansas untergebracht sehen.

Dagegen wenden sich die beiden republikanischen Senatoren aus Kansas, Charles Roberts und Samuel Brownback. Unterstützung erhalten sie von ihrem Kollegen Kit Bond aus Missouri. "Sollen doch diejenigen die Häftlinge aufnehmen, die sich immer für die Schließung von Guantanamo starkgemacht haben", erklärt der Republikaner. "Wir sollten sie auf die Gefängnisinsel Alcatraz schicken und unseren guten Freunden in San Francisco das Problem überlassen." Bond will erreichen, dass vor einer Verlegung immer eine Prüfungsphase von 90 Tagen eingehalten werden muss, damit alle Betroffenen sich äußern können.

In allen Gemeinden mit Haftzentren, die für die Unterbringung der Häftlinge infrage kommen könnten, grassiert die Angst. "Wir wollen nicht zum zweiten Guantanamo werden", sagt Tim Holverson von der Handelskammer in Fort Leavenworth in Kansas. "Das war mal eine schöne Wohngegend hier, aber mit dem Ausbau des Hochsicherheitsgefängnisses ist die Lebensqualität ständig zurückgegangen. Sollen wir denn jetzt auch noch zum Synonym für Guantanamo werden?"

Zwist quer durch Partei

In der Strafanstalt Fort Leavenworth unweit von Kansas City sind zurzeit 512 Häftlinge untergebracht, darunter fünf Todeskandidaten. Experten zufolge wäre dieses Gefängnis für die Aufnahme von "feindlichen Kombattanten" ebenso gut geeignet wie die militärischen Einrichtungen im kalifornischen Camp Pendleton und in Brig in South Carolina. Als weitere Möglichkeit gilt das Hochsicherheitsgefängnis Supermax in Florence, Colorado.

Da aber niemand die Guantanamo-Häftlinge haben will, versuchen die Politiker der betroffenen Staaten sich den Schwarzen Peter gegenseitig zuzuschieben. Dabei wird auch auf politische Allianzen keine Rücksicht genommen. So hat der Republikaner Brown seine Parteifreunde in Kansas vor den Kopf gestoßen, indem er überall die Vorzüge von deren Haftanstalt Fort Leavenworth hervorhob. Und der demokratische Abgeordnete John Salazar aus Colorado hat sich mit den Republikanern in seinem Staat verbunden, um nachzuweisen, dass das Gefängnis Supermax bestimmt nicht der richtige Ort wäre.

Obama hat bei seiner Anordnung zur Schließung von Guantanamo eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die binnen 30 Tagen Empfehlungen zur künftigen Unterbringung der Insassen vorlegen soll.

Im Fernsehsender NBC gab er sich zuversichtlich: "Wir können zwischen den unterschiedlichen Interessen einen Ausgleich finden, auf den wir stolz sein können und mit dem wir zugleich vor Angriffen geschützt sind", sagte der Präsident. Ob dieser Optimismus allerdings ausreicht, um die lokalen Politiker zu überzeugen, darf bezweifelt werden.