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Linke Präsidentschaftskandidaten sind in Kolumbien seit langem chancenlos, doch die politische Stimmung hat sich gewandelt.
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Der letzte Sieg für einen kolumbianischen Kandidaten links der Mitte bei den Präsidentschaftswahlen ist fast ein Vierteljahrhundert her. Auch für die kommenden Wahlen gilt der derzeitige Vizepräsident, German Vargas Lleras, als aussichtsreichster Kandidat. Und doch scheint die Gelegenheit für Kolumbiens linke Reichshälfte günstig wie nie, nach den Wahlen im Mai 2018 das Staatsoberhaupt zu stellen. Das wäre dann nach Stand der Dinge Gustavo Petro, ehemaliger Guerillero und ehemaliger Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá. Besonders helfen könnte dem 57-Jährigen der Friede mit der marxistischen Guerilla Farc nach Jahrzehnten eines schwelenden Bürgerkriegs. Schließlich haben die Aufständischen die Mehrheit der Bevölkerung in dem Bestreben geeint, den Entführungen, Erpressungen, Drogendeals und Morden ein Ende durch eine harte Politik von Recht und Ordnung zu bereiten. Durch den Frieden haben sich die Sorgen und Wünsche der Kolumbianer jedoch geändert. Nationale Sicherheit rangiert in den Umfragen nur mehr an vierter Stelle. Wichtiger sind die Anliegen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, Gesundheitsvorsorge und ein besseres Bildungssystem. Das wiederum sind Themen, die Gustavo Petro liegen könnten. Der Mann mit abgeschlossenem Wirtschaftsstudium verspricht einen Kampf gegen soziale Ungleichheit und hat angekündigt, wohlhabende Grundstücksbesitzer und Finanztransaktionen besteuern zu wollen. Hinzu kommt ein Faible für die Klimathematik. In den frühen Umfragen liefert sich Petro ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Vargas Lleras. Allerdings gibt es auch vieles, das gegen ihn spricht. Mit 53 Prozent führt Petro in der Umfrage, wen die Kolumbianer auf keinen Fall wählen würden. Das dürfte mitunter daran liegen, das Petro kein unbeschriebenes Blatt ist. Der Vater von fünf Kindern mit drei Frauen war nämlich Mitglied der Guerilla-Bewegung M-19. Als solches wurde er inhaftiert und gefoltert. Ein zweischneidiges Schwert für Petro: Während er bei den einen Sympathiepunkte sammelt, ist er für andere ein Paria. Ähnlich verhält es sich mit seiner politischen Vergangenheit. 2006 wurde er mit dem landesweit zweithöchsten Stimmenanteil zum Senator gewählt. 2010 fuhr er bei der Präsidentschaftswahl lediglich neun Prozent der Stimmen ein. 2011 wiederum wurde er zum Bürgermeister von Bogotá gewählt. Es folgte seine gerichtliche Amtsenthebung, weil nach der Umstrukturierung der Müllabfuhr Teile der Stadt für ein paar Tage im Mist versanken. Eine Entscheidung, die auf Druck des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte wieder rückgängig gemacht wurde. Und so bleibt Petro für die einen ein Opfer rechter Ränkespiele, während er für die anderen ein Innovator und Kämpfer für Unterprivilegierte ist.