Stadt wurde vor 70 Jahren im Bombenhagel zerstört. | Göring: "Spanien gab Gelegenheit, Luftwaffe zu erproben." | Madrid. (dpa) Der 26. April 1937 war ein sonniger Frühlingstag in Guernica. In dem 7000-Seelen-Städtchen im spanischen Baskenland herrschte reges Treiben. Es war Markttag, und die Bauern aus den Dörfern boten ihre Erzeugnisse an. Um 16.30 Uhr warnte das Läuten einer Kirchenglocke vor der herannahenden Gefahr. Wenige Minuten später erschienen die ersten Flugzeuge der deutschen "Legion Condor" am Himmel. Mit einem dreieinhalbstündigen Bombenhagel legten sie die Kleinstadt in Schutt und Asche.
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Guernica ging in die Geschichte ein als die erste Stadt Europas, deren Zivilbevölkerung mit einem systematischen Bombardement angegriffen wurde und die Schrecken des modernen Kriegs erleiden musste. Fast 80 Prozent der Gebäude wurden zerstört, 300 bis 1500 Menschen getötet. Die Zahl der Opfer konnte nie genau festgestellt werden, weil damals auch Tausende von Flüchtlingen in der Stadt lebten. Den Maler Pablo Picasso inspirierte das Bomben-Inferno zu seinem berühmten, monumentalen Anti-Kriegs-Gemälde "Guernica".
Deutschland bat um Versöhnung
70 Jahre später erinnert im Stadtbild kaum noch etwas an das Bombardement. Das von bewaldeten Bergen und grünen Weiden umgebene Guernica ist eine geschäftige Kleinstadt mit nun 16.000 Einwohnern. Fast alle Häuser sind Neubauten. Die Stadt kämpft gegen das Vergessen. Zu den Feiern zum 70. Jahrestag lud Guernica Vertreter aus Städten wie Hiroshima, Nagasaki, Coventry, Hamburg, Dresden oder Pforzheim ein, die ebenfalls durch Bombenangriffe zerstört wurden.
Vor zehn Jahren hat Deutschland - 60 Jahre nach dem Bombardement - die Schuld der deutschen "Legion Condor" bei der Zerstörung von Guernica offiziell eingestanden. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog bat die Überlebenden um Versöhnung. Ein Jahr später entschuldigte sich auch der Bundestag.
Das Nazi-Regime hatte die Flugzeuge der "Legion Condor" nach Spanien geschickt, um den späteren Diktator Francisco Franco im Bürgerkrieg (1936-1939) gegen die Truppen der legitim gewählten republikanischen Regierung zu unterstützen. Weshalb die Bomber aus Nazi-Deutschland die Stadt zerstörten, ist bis heute nicht genau geklärt. Guernica war strategisch unbedeutend und ohne Luftverteidigung. "Die Bomber hatten nichts zu befürchten", berichtete ein Augenzeuge. "Sie flogen so tief, dass wir die Gesichter der Piloten erkennen konnten."
Relevante Ziele blieben verschont
Die Stadt hatte nur zwei Ziele, die für die Militärs eine Rolle hätten spielen können: eine Brücke am Ortseingang und eine Waffenfabrik. Ausgerechnet sie blieben intakt. Der Oberbefehlshaber der NS-Luftwaffe, Hermann Göring, erklärte den Angriff 1946 bei den Nürnberger Prozessen so: "Mir gab Spanien die Gelegenheit, meine junge Luftwaffe zu erproben."
Eine andere Erklärung läuft darauf hinaus, dass Franco und die Deutschen den Widerstand der Basken brechen wollten. Danach hatten sie Guernica mit Bedacht als Ziel ausgewählt, weil es für die Basken eine "heilige Stadt" ist. Schon im Mittelalter hatten die spanischen Könige unter der Eiche von Guernica, dem Nationalsymbol der Basken, geloben müssen, die Freiheitsrechte der Basken anzuerkennen. Und bis 1876 kamen die Ältestenräte aus dem ganzen Baskenland am selben Ort zusammen.
"Die Zerstörung war ein Akt vorsätzlichen Luftterrors mit dem Ziel, die Moral der baskischen Nationalisten im Bürgerkrieg zu brechen", meinte der Historiker César Vidal. "Aus Angst, dass die Großstadt Bilbao ein ähnliches Schicksal erleiden könnte, gaben die Basken den Kampf auf und strebten einen Separatfrieden mit Franco an."
Das Franco-Regime, das von 1939 bis 1975 in Spanien herrschte, bekannte sich nie zur Zerstörung von Guernica. Noch im Bürgerkrieg setzte Francos Propaganda die Behauptung in die Welt, die Basken hätten die Stadt selbst in Schutt und Asche gelegt. In den 1960er Jahren ging die offizielle Geschichtsschreibung in Spanien dazu über, dem Hitler-Regime die Schuld zu geben.