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Gümpel/Pinotti: Berlusconi Zampano

Von Hans Kurz

Europaarchiv
Silvio Berlusconi - ein schillernder und oft Unbehagen auslösender Politiker. Foto: ap

Das verwirrende "System Berlusconi". | Italien stand vor der Wahl. Dieser Tage entschied sich, ob der große Zampano Silvio Berlusconi nicht nur einer der reichsten Männer und mächtigsten Medienmogule der Welt bleibt, sondern auch Regierungschef eines großen europäischen Landes. Seine Chancen dazu standen schon nach den Umfragen nicht besonders gut. Und das war gut so - zumindest, wenn man dem Buch "Berlusconi Zampano - Die Karriere eines genialen Trickspielers" Glauben schenkt. Und man kann davon ausgehen, dass die Autoren Udo Gümpel und Ferruccio Pinotti die Machenschaften des Silvio B. ebenso sorgfältig wie ausführlich recherchiert haben.


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"Es ist ein erschreckendes Bild, das dieses Buch zeichnet. Man will es nicht glauben, man kann es gar nicht glauben. Alles scheint maßlos übertrieben. Dabei haben wir uns beschränken müssen, jeden Tag kam ein neuer Fall dazu, ein absurdes Theater verdrängte das nächste ..." schicken die beiden versierten Italien-Kenner ihrer Biografie voran. Sie berichten vom Aufstieg Berlusconis als Baulöwe, der in den 1960er Jahren neue Trabantensiedlungen um seine Heimatstadt Mailand herum aus dem sumpfigen Boden stampfte - mit Geld, das ihm, dem Bankierssohn, aus Schweizer Konten zufloss. Auf der Spur der fragwürdigen Geldquellen gelangen Gümpel, Italien-Korrespondent des Nachrichtensenders n-tv und Co-Autor des Buches "Der Vatikan heiligt die Mittel", und Pinotti, der für verschiedene italienische und internationale Zeitungen schreibt und Autor eines investigativen Buches über das Opus Dei ist, schnell zu den Mafia- und Vatikan-Connections des Mannes, der sich selbst auch schon mit Jesus Christus vergleicht. Die Autoren beschreiben detailliert, wie jene cattocomunismo genannte, halb katholisch, halb kommunistisch organisierte Staatswirtschaft des postfaschistischen Italien den Aufstieg Berlusconis ermöglichte. Und wie er schließlich Macht und Medienallmacht verquickte.

Es ist ein undurchsichtiges Geflecht aus persönlichen Bekanntschaften und politischen Beziehungen, das Berlusconi mit zwielichtigen Gestalten wie Roberto Calvi, Marcello Dell´Utri, Licio Gelli oder Michele Sindona verbindet. Immer wieder tauchen Spuren zur Mafia, Querverbindungen zum Vatikan und zur Liechtensteiner Geldwaschmaschinerie auf, verdichten sich und verlieren sich wieder im Nebel, um unvermittelt an anderer Stelle wieder Gestalt anzunehmen - Michael Moore lässt grüßen. Die Biografie "Berlusconi Zampano" ist kein chronologisch, sondern ein thematisch geordnetes Werk. Zeitsprünge, aber auch all die Verbindungen und Verstrickungen machen es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Aber genau so wurde ja auch das "System Berlusconi" organisiert!

Gümpel und Ferrucci verstehen ihr Buch nicht in erster Linie als Abrechnung mit einem - dem Adjektiv "kriminell" zumindest nahestehenden - Politiker, sondern als Warnung an Europa: "Neue und komplexe Formen der Manipulation höhlen die Demokratie von innen her aus", lautet das Credo des Lehrstücks aus Italien treffend.

Ferruccio Pinotti

Berlusconi Zampano

Riemann Verlag,

608 Seiten, 19,95 EUR

Erschreckende Warnung aber keine Abrechnung ,Udo Gümpel/Ferruccio Pinotti: Berlusconi Zampano. Riemann Verlag, 608 Seiten, 19,95 EUR.