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Günter Wallraff

Von Konstanze Walther

Reflexionen

Der deutsche Schriftsteller Günter Wallraff berichtet von seiner Arbeit als Sozialreporter, analysiert die politische Lage und kritisiert die unseriösen Auswüchse des Boulevardjournalismus.


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Wiener Zeitung:Herr Wallraff, Sie waren lange Zeit - auch krankheitsbedingt - von der öffentlichen Bildfläche verschwunden. Ihre letzte große Reportage stammt aus den 80er Jahren, als Sie, verkleidet als türkischer Gastarbeiter, drei Jahre lang in das Schicksal der oft illegal beschäftigten Leiharbeiter eingetaucht sind. Nach fast 20-jähriger Pause haben Sie für das auferstandene "Zeit"-Magazin wieder angefangen, verdeckte Rollenreportagen zu machen. Ihre erste Geschichte über die Erfahrungen als Call-Center-Mitarbeiter ist bereits erschienen - was kommt noch?

Günter Wallraff: Zunächst kommt noch etwas über Doping - thematisch ein kleiner Abstecher, der sich so ergeben hat, obwohl er nicht so typisch Prekariats-bezogen ist, wie die restlichen Geschichten, die als Reihe "Schöne, neue Arbeitswelt" erscheinen sollen. Ansonsten dreht es sich um Zeitarbeit, Niedriglöhne, also vor allem Arbeitssituationen, wo ein Job nicht ausreicht, um sein Existenzminimum zu bestreiten. Das aus den USA bekannte Mehrlohn-System nimmt auch in Europa zu. Man kann sagen, die Dritte Welt hält Einzug in die Erste Welt. Gesellschaftlich ist einiges im freien Fall.

Die ehemaligen Hilfsarbeiter-Jobs sind heute zumeist nach Indien oder China "abgewandert", der heutige Niedriglohn-Sektor spielt sich vor allem im Dienstleistungssektor ab. Sie haben in beiden Welten als Chronist gelebt. Welche Veränderungen haben Sie bemerkt?

Ich habe in den 60ern mit den Industriereportagen angefangen - in Großbetrieben, zuerst bei Ford, dann auf einer Werft und in den Siemens-Werken. Das war zwar sozusagen eine entfremdete Arbeit - aber man bekam noch Arbeit. Man suchte seinerzeit sogar händeringend Arbeitskräfte. Darum hat man ja die vielen ausländischen Immigranten hereingeholt, die man zumindest in Deutschland später dann wieder loswerden wollte.

In meiner Zeit als türkischer Arbeiter waren es hauptsächlich die Türken, die am diskriminiertesten waren. Die sind zuletzt "ins Boot" gekommen, auf ihnen wurden die meisten Vorurteile und Aggressionen abgeladen.

Heute kann man sagen, hat sich das auf alle so genannten "Ost-Arbeiter" ausgeweitet - Rumänen, Russen, Polen. Die sind in der heutigen Hierarchie noch unter den Türken. Dort unten stehen aber jetzt auch viele deutsche Langzeitarbeitslose, die dann oft in solchen Niedriglohn-Segmenten landen, die kaum zum Überleben reichen. Wo "wir" als Türken noch sechs, acht Mark die Stunde bekamen, machen es heute schon welche für nur zwei Euro. Aufgefangen werden sie dann gerne von Call-Centern, einer absoluten Wachstumsbranche, in der bisher 400.000 Personen in Deutschland arbeiten, jährlich nimmt die Zahl um zehn Prozent zu. Und diese Menschen werden dort zu Betrügern ausgebildet.

Ist es für einen Zuwanderer nicht schwierig, in Call-Center zu arbeiten? Muss man da nicht akzentfrei Deutsch sprechen?

Interessanterweise ist das egal. Viele sprechen mit Akzent, allerdings werden sie paradoxerweise gezwungen, deutsche Namen anzunehmen. Da erleben Sie beispielsweise einen türkischen Kollegen, der sich mit Horst Müller meldet. Der telefoniert dann mit seinem Akzent mit einem Gastwirt, der kaum Deutsch versteht, und versucht ihm einen kostspieligen Gesetzes-Ausdruck aufzuschwatzen, den man sich im Internet gratis herunterladen kann. Auf meine Frage, warum der Kollege nicht Türkisch spricht, damit ihn der Wirt auch verstehen kann, antwortet er: "Das läuft nicht. Die Türken haben vor den Deutschen mehr Respekt, und ich so mehr Erfolgsaussichten." Aber es gibt noch extremere Konstellationen: In Istanbul gibt es etwa Call-Center von deutschen Kaufhäusern. Die dort beschäftigten Türken müssen nicht nur einen deutschen Namen angeben, sondern ihren Anrufern insofern anlügen und behaupten, dass sie gerade vom Hauptsitz der Firmenzentrale in Deutschland anrufen. Sie tun also so, als ob sie im bayrischen Fürth sitzen würden, und müssen immer genau über die jeweilige deutsche Wetterlage Bescheid wissen. Das ist auch Globalisierung.

Sie galten einmal als eines der Aushängeschilder der sogenannten Linken in Deutschland, und haben Ihre journalistischen Anfänge unter anderem bei der Zeitschrift "Konkret" gehabt, für die auch die spätere RAF-Terroristin Ulrike Meinhof federführend gearbeitet hat. "Konkret" gibt es in der Form heute nicht mehr. Nach der Rot-Grün-Regierung scheinen "linken" Ideen kaum noch zu existieren.

Ja, ich war auch einmal Wähler der Grünen. Dass heute Umwelt-Standards auch bei konservativen Parteien berücksichtigt werden, das haben die Grünen erkämpft. Dafür sind sie früher als Spinner und Utopisten abgetan worden, die man nicht ernst nehmen durfte. Und die 68er-Generation hat immerhin erreicht, dass es eine Aufarbeitung des Nationalsozialismus gab. Genauso wie die Berücksichtigung von Frauenrechten, Kinderrechten und den Rechten von allen Minderheiten. Heute habe ich den Eindruck, dass sich das Spielerische bei den Grünen, das mir immer gefallen hat, in ein reines Machtspiel gewandelt hat. Damit unterscheiden sie sich nur noch wenig von den anderen. Das ist eines der Hauptprobleme der heutigen Politiker: Sie sind sich alle so verdammt ähnlich, egal von welcher Partei sie sind.

Was bedeutet das dann für Sie als Wähler?

Ich möchte mit keinem Spitzenpolitiker tauschen und mache sie auch nicht verantwortlich für diesen Einheitsbrei. Sie sind Gefangene ihrer jeweiligen Systeme, sie sind verplant von morgens früh bis in die Nacht und sind vom eigentlichen Wähler, dem sie verantwortlich sein sollten, ganz weit entfernt. Ich beurteile Politiker nicht mehr danach, in welcher Partei sie sind, sondern inwieweit sie den Spielraum, den ihnen ihre jeweilige Partei setzt, für mehr Menschlichkeit, für mehr Klarheit und mehr Ehrlichkeit öffnen. Parallel dazu erlebe ich, dass beispielsweise auch konservative Politiker wie Horst Seehofer von der CSU ein Opfer einer Boulevard-Mediengesellschaft werden (Anm.: Der deutsche Verbraucherminister hat im Jänner 2007 als stellvertretender CSU-Vorsitzender erfolglos für die Nachfolge von Edmund Stoiber an der Parteispitze kandidiert. Seehofer sank deutlich in der Gunst der bayrischen Wähler, nachdem die "Bild"-Zeitung Gerüchte über sein Privatleben und seine außereheliche Affäre veröffentlichte) . Seehofer war endlich einer, der einen etwas liberaleren, humaneren Kurs gefahren ist, der wird dann von "Bild", "Focus", "Bunte" herausgeschossen. An dessen Stelle werden dann Hardliner favorisiert, die aber natürlich persönlich genauso fehlbar sind. Aber auch das Beispiel Gerhard Schröder war eine Katastrophe für eine Demokratie.

Was ist Ihr Hauptvorwurf gegenüber dem ehemaligen SPD-Kanzler?

Ein großes Problem unserer Politik ist ihre Abhängigkeit von sehr mächtigen Wirtschaftsinteressen. Das Lobbywesen hat sich so breitgemacht, dass es schon im Ministerium sitzt und Gesetze mitvorbereitet. Schröder muss man vorwerfen, dass er seine Politik zur Vorteilsnahme benutzt hat. Jetzt bezieht er seine Pfründe von Gazprom. Und davor hat er noch den russischen Premier Putin wider besseres Wissen als "lupenreinen Demokraten" hingestellt. Ähnliches kann man Wolfgang Klement von der SPD vorwerfen, der ja unter Rot/Grün Wirtschaftsminister war. Der hat damals der ganzen Branche der Zeitarbeit und deren Lobby Vorteile durch die Liberalisierung des Arbeitsrechts verschafft - und ist heute einer der Chefs dieser Zeitarbeits-Firmen. Kein Wunder, dass bei den Jugendlichen die Politikverdrossenheit grassiert, und sie teilweise gar nicht mehr zur Wahl gehen - was falsch ist. Denn da ist die Gefahr, dass die Rechtsradikalen enorm dazu gewinnen. In einigen Regionen im Osten hat die NPD schon mehr Stimmen als die SPD.

Wie Sie vorher am Beispiel Seehofer erläutert haben, veranstaltet die Boulevard-Presse auch heute noch Menschenjagden. Wie beurteilen Sie die "Bild"-Zeitung heute, verglichen mit der Zeit, als Sie in den 70ern dort verdeckt den Redakteur "Hans Esser" gespielt haben?

Ich zitiere jetzt mal eine gute Bekannte, Alice Schwarzer, die ich eigentlich aufgrund ihrer Arbeit sehr schätze. Sie hat viel für die Frauenbewegung geleistet - und lässt sich jetzt für die Riesen-Kampagne der "Bild" als Werbefigur überlebensgroß plakatieren. Intern spricht sie allerdings davon, dass die jetzige "Bild" das größte Verbrecherblatt überhaupt ist - so wie die "Bild" die Rolle der Frau porträtiert, und was die diversen Hetzkampagnen betrifft. Andererseits, und dass muss man der Frau Schwarzer vorwerfen, prostituiert sie sich für dieses Blatt aus reiner Karrieregeilheit.

Hat die "Bild" heute überhaupt noch so viel Macht, angesichts einiger privater TV-Kanäle, die ähnlich leichte Information bieten, und sie ebenso mit Sex, Skandalen und Promis mischen? Dorthin müssten doch viele "Bild"-Leser abgewandert sein.

Ja, das gibt sich die Hand. Aber die "Bild" gilt noch immer, oder schon wieder, als Leitmedium und ist in vielen Themen bestimmend. Wenn sie einmal etwas lostritt, stürzen sich da auch andere drauf. Das finde ich bedenklich. So werden selbst unglaubliche Falschmeldungen verbreitet - wie seinerzeit im Fall Sebnitz, als eine ganze Stadt unter Mordverdacht geriet. ( Anm.: 1997 starb im sächsischen Sebnitz der sechsjährige Joseph Abdullah in einem Freibad am helllichten Tag. Drei Jahre später behauptete die Mutter gegenüber "Bild", dass es sich um einen Mord gehandelt hätte. "Bild" stilisierte die Verdachtsmomente zur Schlagzeile hoch: "Neonazis ertränken Kind. Und eine ganze Stadt schaut zu". Danach ging nach Einschätzung des damaligen Justizministers eine "beispiellose Hasswelle" aus ganz Deutschland auf die Region nieder. Der Imageschaden war und ist beträchtlich. Durch mehrere Gerichtsgutachten konnte später geklärt werden, dass der Tod unfallbedingt war und ohne Fremdeinwirkung eingetreten ist.) Nach dieser "Bild"-Meldung sind alle anderen Zeitungen nachgezogen, selbst die seriösen Medien. Das ist das Problem.

Andererseits gibt es Hoffnung: Die Auflage bröckelt, oder besser gesagt: Sie geht enorm zurück. Jetzt sind sie auf 3,2 Millionen gelandet und werden demnächst unter drei sein. Darum machen sie auch solche verzweifelten Werbekampagnen, für die sie unter anderem Tote einspannen, die sich nicht mehr wehren können, wie Mahatma Gandhi und Nelson Mandela. Mit dem Spruch "Jede Zeit braucht einen Mutigen." Und dafür gibt sich ausgerechnet die Schwarzer her. Da bin ich etwas enttäuscht von ihr.

Nach Ihrer Zeit als "Bild"-Reporter haben Sie auch eine große Kampagne veranstaltet, mit dem Slogan "Die Bild' lügt". Ist diese Botschaft endlich durchgesickert? Sind die Leser der Halbwahrheiten müde?

Da sollte man sich nichts vormachen. Es gibt ja Menschen, die die "Bild" als Witzblatt betrachten, und sie mehr oder weniger lachend lesen. Aber bei der Informationsflut, die wir heute aufnehmen, können wir die Quellen nicht mehr unterscheiden. Da wissen wir gar nicht mehr, woher man welche Information hat. Es bleibt immer etwas hängen, wenn auch nur im Unterbewusstsein. Dort wird es dann in eine neue "Wahrheit" gedreht. Allerdings ist es längst nicht nur die "Bild", wo solche Wahrheiten geschaffen werden. Vor nicht allzu langer Zeit gab es den Fall der Deutschen Susanne Osthoff, einer Archäologin, die im Irak lange Zeit als Geisel festgehalten wurde. Abgesehen davon, dass sie schreckliche Erfahrungen gemacht hat und nach wie vor traumatisiert ist, und abgesehen davon, dass sie von einigen Medien als unpatriotisch hingestellt worden ist, weil sie nach ihrer Geiselnahme wieder im Irak tätig ist und ihre Tochter in einem Internat lebt, ging die Hetzjagd bis zur Verleumdung. "Focus" hat über Geheimdienstkontakte in Erfahrung gebracht, dass die Entführer Frau Osthoff bei der Freilassung die 3000 Euro wieder gegeben haben, die sie zu Beginn der Entführung bei sich getragen hatte und die ihr ja eigentlich gehört haben. Laut dem Außenamt hat Frau Osthoff auch angeboten, diese Summe dem deutschen Staat auszuhändigen, worauf aber verzichtet worden ist. "Focus" hat aber getitelt, dass Osthoff einen "Teil der Lösegelds", das insgesamt fünf Millionen Euro ausgemacht hatte, von den Irakern bekommen hat. Das Gerücht, dass sie mit ihrer eigenen Entführung zu tun gehabt hätte, hält sich bis heute: Osthoff gilt als ganz dubiose Figur.

"Focus" ist eine Zeitschrift des Burda-Verlags. Wie ist das Verhältnis zu den Medien des Springer-Konzerns? Die müssten eigentlich erbitterte Konkurrenten sein.

Burda und Springer haben einen Burgfrieden geschlossen. Die stehen sich politisch sehr, sehr nahe. Aber das geht heute schon bis in den "Spiegel" hinein. Fakt ist, dass man dort schon seit Jahren nichts Kritisches mehr über die "Bild" lesen kann. Es herrscht eine Art Stillhalteabkommen. Gerüchten zufolge haben einige "Spiegel"-Beschäftigte in höheren Positionen schon Posten bei Springer versprochen bekommen, wenn ihre Zeit beim "Spiegel" vorbei ist. Andererseits ist der Springer-Konzern nicht mehr der monolithische Block, der er einmal war. Es gibt nicht mehr nur eine Meinung. So war ich plötzlich sehr verunsichert, als in der "Welt", die auch Springer gehört, unlängst etwas Positives über mich stand. Da bekam ich schon fast Angst - was mache ich, wenn mich dann noch die "Bild" vereinnahmt? Aber die Angst war unbegründet: Zwei Tage später wurde der ganz große Schmäh-Hammer von einem delirierenden "Bild"-Redakteur gegen mich geschwungen. Doch auch die "Bild" hat sich verändert: Die Hetze gegen Ausländer findet nicht mehr in dem früheren Maß statt.

Zurzeit wird der 30. Jahrestag des deutschen Herbsts begangen. Anders als viele Zeitzeugen haben Sie sich von Beginn an von der RAF distanziert.

Ich lehne als praktizierender Pazifist jegliche Gewalt ab. Als ich Ulrike Meinhof kennen lernte, schätzte ich sie sehr aufgrund ihrer sozialen Kolumnen in "Konkret". Aber als die Revolutionäre anfingen, Menschen zu verletzen, und den Aufruf, "Auf Bullenschweine darf geschossen werden" veröffentlichten, habe ich klar von der Gruppe Abstand genommen, denn diese Sprache war selbst schon halb-faschistisch und menschenverachtend. Damit habe ich mir damals nicht nur Freunde gemacht.

Zur RAF-Zeiten sind die Persönlichkeitsrechte der Bürger durch die Gesetzgebung drastisch beschnitten worden. Dreißig Jahre danach ist der Terror in Deutschland wieder präsent - gerade läuft eine hitzige Diskussion zur Online-Überwachung. Besteht die Gefahr, dass es zu einer Situation wie damals kommt?

Ich bin gegen jede Form von Überwachung, allerdings muss man fairerweise sagen, dass sich unsere Staats-Dienste in der Zwischenzeit demokratisiert haben. Zu RAF-Zeiten wurde ausnahmslos alles, was sich kritisch darstellte, überwacht. Heute ist zwar der Bundesnachrichtendienst noch immer ein wenig bedenklich. Der ist noch sehr durchsetzt mit finsteren Strukturen. Aber beim Verfassungsschutz und den sonstigen Diensten ist seitdem viel Sauerstoff dazugekommen. Auch bei der Polizei gibt es nicht mehr nur die einseitige Sichtweise. Aber die Gefahr ist natürlich da, dass sich diese Strukturen wieder ändern.

Zur Person

Günter Wallraff, geboren 1942, ist der bekannteste deutsche Enthüllungsjournalist. Seine Bücher über soziale und gesetzliche Missstände in der Bundesrepublik sind legendär und haben den deutschen Staat nicht nur einmal zum Einlenken und Abändern seiner Position gebracht. Nachdem Wallraffs Gesicht zu bekannt geworden und in den Industrie-Betrieben teilweise sein Steckbrief ausgehangen ist, begann Wallraff als Rollenspieler neue Identitäten anzunehmen. Im Dienst der Aufklärung arbeitete so beispielsweise 1977 vier Monate lang als "Hans Esser" im Lokalteil der "Bild"-Zeitung und veröffentlichte seine Erfahrungen im Buch "Der Aufmacher". Die Jahre danach wurden durch den Kampf gegen den größten deutschen Pressekonzern geprägt, der Wallraff mit Klagen eindeckte, bis ihn schließlich der Bundesgerichtshof freisprach: "Bild"-Betriebsinterna dürfen veröffentlicht werden, weil dort "Fehlentwicklungen des Journalismus und einschneidende Folgen der Meinungsmanipulation" beschrieben werden.

In den 80er Jahren folgte seine bisher größte Reportage als türkischer Gastarbeiter "Ali", eine Rolle, die er fast drei Jahre lang gespielt hat und dabei an seine physischen Grenzen gegangen ist. "Viel war nicht nötig, um mich ins Abseits zu begeben, um zu einer ausgestoßenen Minderheit zu gehören, um ganz unten zu sein. Von einem Spezialisten ließ ich mir zwei dünne, sehr dunkel gefärbte Kontaktlinsen anfertigen, die ich Tag und Nacht tragen konnte. (...) ", schreibt Wallraff im Vorwort seines Weltbestsellers "Ganz Unten".

"Wallraffa", auf Deutsch "wallraffen" ist im schwedischen und norwegischen Duden als Verb aufgenommen, und hat die Bedeutung einer gesellschaftlichen Durchleuchtung, so wie im Deutschen das Wort "röntgen" für körperliche Durchleuchtung steht.