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Gusenbauer: Energieoffensive in Lima

Von WZ Online

Politik

Santiago De Chile. Das Thema "Klima und Energie" ist für Bundeskanzler Alfred Gusenbauer "die wichtigste Kooperationsebene zwischen Europa und Lateinamerika". Daher will Gusenbauer diese Frage auch in den Mittelpunkt seines Auftritts beim EU-Lateinamerika-Karibik Gipfel ab Freitag in der peruanischen Hauptstadt Lima stellen.


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Dort wird er auch einen entsprechende Arbeitskreis leiten. "Wir brauchen ein globales Abkommen bis 2009 und dafür benötigen wir Bündnispartner", erklärte der Regierungschef im Vorfeld des Gipfels.

Technologische Revolution

"Allein schafft Europa das nicht, und wenn wir Lateinamerika nicht an Bord haben, dann gibt es überhaupt keine Chance", meinte Gusenbauer am Rande seines bilateralen Besuchs in Chile. "Daher wäre es ein Erfolg, wenn es ein Commitment gibt, dass wir ein solches globales Abkommen für 2009 anstreben. Wobei mir Recht wäre, wenn man zumindest im Grundsatz auch eine Einigung erzielt, dass das Wichtigste einmal die Steigerung der Energieeffizienz ist." Die billigste Energie sei nämlich die, "die man nicht verbraucht". Dafür gebe es in allen Ländern enorme Kapazitäten. "Egal, ob das entwickelte oder weniger entwickelte Staaten sind."

Weiters müsse man sich in der Energiefrage deutlich - "wenn auch nach ökonomischen Kriterien" - auf den erneuerbaren Sektor fokussieren. Dann stelle sich noch die Frage, "wie man in möglichst effizienter Form fossile Energie nutzen kann." Über alldem schwebe dann das Commitment, "dass wir eine Art technologischer Revolution in diesem Bereich brauchen." Zum Beispiel sei bei der Frage der Solarzellen der Fortschritt in den vergangenen Jahren viel, viel zu gering gewesen. "Im Vergleich zu jenem, den wir etwa bei Mikrochips erzielt haben."

Zum umstrittenen Thema "Biosprit" meinte der Bundeskanzler: "Sinnvoll wäre zu sagen, wir haben es jetzt mit der ersten Generation von Biosprit zu tun. Unser Ziel ist aber die zweite und dritte Generation, nämlich die Verwertung von Altölen und so weiter." Es dürften aber keine Nahrungsmittel "verspritet" werden. "Das erscheint mir der wichtigste Punkt zu sein."

UNO-Sicherheitsrat

Seine zehntägige Lateinamerikareise, die ihn neben dem Gipfel in Peru auch nach Argentinien, Brasilien und Chile führt, sieht Gusenbauer nicht zuletzt im Zusammenhang mit Österreichs Kandidatur für einen nicht-ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat. "Wenn wir für den Weltsicherheitsrat kandidieren, heißt das, dass wir zur Lösung der Probleme in der Welt einen Beitrag leisten wollen. Damit das ernst genommen wird, muss man aber mit Leuten reden."

Außerdem seien Europa und Lateinamerika in einer multipolaren Welt logische Bündnispartner. "Nicht nur aufgrund der gemeinsamen politischen und kulturellen Traditionen, sondern auch weil uns Lateinamerika in vielen Dingen ähnlich ist. Alleine die Entwicklung des Umweltbewusstseins in den vergangenen Jahren ist phänomenal. Stärker als in allen anderen Teilen der Welt."

In der Frage einer möglichen "Integration" Lateinamerikas nach dem Vorbild der EU sieht Gusenbauer gewisse Einschränkungen: "Ich glaube, dass Lateinamerika nicht mit Europa vergleichbar ist. Weil in Europa haben wir Deutschland und Frankreich als Motor gehabt. Bei allen Differenzen waren das zwei gleichwertige Partner. In Südamerika haben Brasilien und Argentinien gemeinsam mehr Einwohner als alle anderen zusammen." Das mache die Frage viel, viel schwieriger. So herrsche etwa in Brasilien in einem gewissen Ausmaß die Ansicht vor, das man es sich mit dem Rest der Welt "ohnehin alleine richten" könne.

Andererseits seien aber die Interdependenzen sehr groß, so der Bundeskanzler. "Wenn man etwa bedenkt, wie stark die Abhängigkeit Brasiliens von den Erdgaslieferungen aus Bolivien ist. Oder wie sehr Chile - das sehr entwickelt ist - von Energielieferungen aus Argentinien abhängig ist." Zudem dürfe nicht unterschätzt werden, "welche enorme Rolle die Rohstoffvorkommen Chiles oder auch Venezuelas spielen".

"Sensationell"

Bei der Agrarproduktion wiederum sei Argentinien am aktivsten von allen. "Das sind nur ein paar Beispiele, die zeigen, wie stark hier die Interdependenzen sind." Würde man aber "ein dichtes Paket schnüren", wäre eine gute Grundlage für eine Integration Lateinamerikas gegeben, meinte Gusenbauer. "Ich glaube nur, dass das nicht gleich morgen stattfinden wird. Das bedarf noch viel Zeit und politischer Anstrengung." A la longue könne Lateinamerika als integrierte Region in der Welt aber eine wichtige Rolle spielen.

Den ökonomische und sozialen Fortschritt in einzelnen Ländern Südamerikas stufte Gusenbauer als "sensationell" ein. Schließlich sei Lateinamerika immer als "Problemfall" gesehen worden. "Mit Militärdiktaturen, danach Hyperinflation, danach Auslandsverschuldung." Das, so Gusenbauer, ist eigentlich vorbei. "Wir haben größtenteils stabile Verhältnisse." Bei allen ideologischen Differenzen habe er den Eindruck gewonnen, "dass hier Regierungen am Werk sind, denen die Bevölkerung ein Anliegen sind. Es sind also nicht nur Regierungen, die klientelistisch irgendwelche Privat- oder Familieninteressen vertreten."

Auch in Venezuela mit Präsident Hugo Chavez gibt es für Gusenbauer positive Aspekte: "Venezuela macht einen eigenen Typus von Politik, wobei man anerkennen muss, dass dort zur Bekämpfung der Armut etwas geschieht. Das heißt jetzt nicht, dass einem alles was dort passiert politisch sympathisch sein muss. Das ist es auch nicht. Es entschuldigt nämlich nicht die unerträglichen Aussagen, die Hugo Chavez immer wieder gemacht hat." So sei seine jüngste Attacke auf Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel "inhaltlich, sachlich und historisch unvertretbar und eine völlig unnötige Provokation." Chavez hatte die "rechte" Politik Merkels sinngemäß auf eine Stufe mit jener von Nazi-Deutschland unter Adolf Hitler auf eine Stufe gestellt.

Bezüglich der großen österreichischen Wirtschaftsdelegation, die ihn nach Südamerika begleitet, meinte Gusenbauer: "Viele österreichische Unternehmen wollen den Zug der Zeit nicht an sich vorbeigehen lassen. "Sie wollen eben schauen, was in Lateinamerika drinnen ist. Das ist eine Art Abstimmung mit den Füßen, denn die machen das ja nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil sie sich ein Geschäft erwarten." Dass beispielsweise Argentinien in einer Studie der Kontrollbank absolut schlechte Werte in Sachen "Sicherheit" hat, sei dabei ein "Risiko, das jeder selbst einschätzen" müsse. Aber: "Eine Firma wie VW wäre dort nicht so präsent, würde sie nicht meinen, dass das etwas bringt."(APA)

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