"WZ"-Interview mit dem Politologen Peter Filzmaier. | "WienerZeitung": Wie stark ist Alfred Gusenbauer derzeit innerhalb der SPÖ?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Peter Filzmaier: Durch den unerwarteten ersten Platz bei der Nationalratswahl kann er jetzt alles umsetzen, er hat jetzt sowohl bei den Verhandlungsabschlüssen als auch bei der Auswahl seiner Regierungsmannschaft freie Hand. Die Gegenstimmen gehören zur Kultur der SPÖ. Wenn die Sozialistische Jugend nicht protestieren würde, müsste man fragen, was los ist.
Wird er der Gewerkschaft das Sozialministerium, das diese als Erbpacht betrachtet, überlassen?
Gusenbauer könnte aus strategischen Überlegungen einen Gewerkschafter einbinden, das muss aber nicht im Sozialministerium sein. Aber er muss die Gewerkschaft nicht einbinden.
Kurz nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden Ende April 2000 hat Gusenbauer schon erste emanzipatorische Schritte vom ÖGB weg versucht, letztendlich ist ihm eine klarere Trennung von Partei und Gewerkschaft erst im Zuge des ÖGB-Bawag-Skandals im Wahlkampf 2006 gelungen. Kann er diese Distanz wahren?
Die Zeit der Siamesischen Zwillinge ist vorbei. Vor allem als Kanzlerpartei ist die SPÖ gut beraten, eine neue Form der Partnerschaft aufzubauen. Aber dieser Bruch mit der Gewerkschaft, der für Gusenbauer mit einem hohen persönlichen Risiko verbunden war - er hat sich damals sein persönliches Ausstiegsszenario verbaut - ist irreversibel.
Wird Gusenbauer die Rolle des Bundeskanzlers ausfüllen können?
Entscheidend für die Akzeptanz sind die ersten sechs Monate: In dieser Zeit definieren sich das Image und der Kanzlerbonus. Als Beispiele nenne ich hier Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die das geschafft hat und Steiermarks Landeshauptmann Franz Voves, dem das nicht ganz so gut gelungen ist. Voves wird bis zur nächsten Landtagswahl viel stärker kämpfen müssen als Burgstaller. Ein anderes Beispiel ist Wolfgang Schüssel, der sich als Schweigekanzler positioniert hat.
Kann es Gusenbauer gelingen, Volkskanzler zu werden, wie er schon einen Tag nach der Wahl prognostiziert hat?
Es ist nicht hilfreich, schon vor der Angelobung ein derartiges Versprechen abzugeben. Andererseits macht der Volkskanzler als logische Positionierung gegenüber Schüssel, der menschlich sicher Defizite hat, Sinn. Es wird schwierig für Gusenbauer, diesen Anspruch zu erfüllen, aber unter günstigen Rahmenbedingungen ist es machbar. Die SPÖ muss nur aufpassen, damit ihr Spin nicht selbst Thema wird.