Ex-EU-Mandatar Johannes Voggenhuber (Grüne) im Interview über die neue EU-Spitze, Österreichs EU-Kommissar und die Blockadepolitik der Oppositionsparteien.
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"Wiener Zeitung": Sie haben über die neuen EU-Spitzen - Ratspräsident Herman van Rompuy und Außenministerin Catherine Ashton - von "Hausmeister und Dienstboten der Regierungschefs" gesprochen. Würde das auch zutreffen, wenn einer der beiden Wolfgang Schüssel oder Alfred Gusenbauer hieße?Johannes Voggenhuber: Sagen wir nicht Hausmeister. Die europäischen Kurfürsten haben sich einen Hofmarschall gewählt und nicht eine europäische Führungsfigur. Wolfgang Schüssel hat, nicht wie einige österreichische Medien meinten, in dem Prozess nie eine relevante Rolle gespielt. Man kann sich vorstellen, welche Länder da ein Veto einlegen würden. Gusenbauer hätte eine realistische Chance gehabt, wenn sich Faymann für ihn eingesetzt hätte. Er hätte dann sicher keinen Hausmeister abgegeben, sondern wäre außenpolitisch eine durchaus ernstzunehmende Figur gewesen.
Österreich wird in der Kommission durch Johannes Hahn vertreten sein, noch ist offen, in welchem Ressort. Was sagen Sie dazu?
Es steht völlig außer Streit, dass Minister Hahn von keiner europäischen Erfahrung beleckt ist. Sollte er das - stark abgespeckte - Umweltressort bekommen, ist anzumerken, dass er keinerlei umweltpolitische Erfahrung hat. Er ist das Ergebnis eines ungeheuren Intrigen- und Ränkespiels zwischen SPÖ und ÖVP. Bei dem hat die Position Österreichs in Europa ebenso wenig eine Rolle gespielt, wie unsere Interessen oder die Fähigkeit mitzubestimmen. Er ist einfach der Lottokönig eines Roulettes zwischen den Parteien. Es ist traurig.
Aber soll es bei der Besetzung eines Kommissars wirklich um die Interessen Österreichs gehen?
Nein, natürlich nicht. Aber die Interessen Österreichs - in der grundlegenden Weise wie ich sie meine - bestehen darin, eine Person zu entsenden, die kompetent, anerkannt und erfahren Aufgaben Europas übernehmen kann. Dieses Interesse müssen wir schon haben. Nicht dass er unsere Interessen vertritt, aber dass wir nicht jemanden schicken, der nicht in der Lage, nicht kompetent und nicht anerkannt genug ist, um seine Aufgabe zu erfüllen.
Wird vielleicht gerade das von vielen Politikern missverstanden?
Ja, das ist zwar auch in anderen Ländern ein wenig so, in Österreich aber unerträglich. Man glaubt, man hat dort einen Kurier oder einen Handlanger österreichischer Interessen sitzen. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass der Kommissar einen Amtseid schwört auf die europäischen Interessen und die Unabhängigkeit, um von jedem nationalen Auftrag frei zu sein. Das ist in österreichischer Manier geduldiges Papier, die europäische Realverfassung soll an die europäische Realverfassung angenähert werden, Hauptsache er handelt für uns. Das ist eine völlige Verkennung europäischer Spielregeln. Wer das tut, verspielt jeden Kredit.
Sie sind ein großer Befürworter der Dienstleistungsrichtlinie - gerade diese wird nun im österreichischen Parlament auch von den Grünen blockiert, um die Ladung von Ministern in den Untersuchungsausschuss zu erzwingen. Haben Sie dafür Verständnis?
Ich habe dafür Verständnis. Die Regierungsparteien, die keinen Bleistift in die Hand nehmen, ohne ein Geschäft zu machen, keine politische Entscheidung treffen, ohne dafür etwas zu kriegen, brauchen eine verfassungsgebende Mehrheit und wollen nicht einmal fundamentale demokratische Reformen daran knüpfen. Es ist notwendig, dass die Dienstleistungsrichtlinie umgesetzt wird. Es ist aber mindestens genauso notwendig, die Rechte des Parlaments auszuweiten. Da ist für mich der Konnex. Nachdem das, was die Opposition im Bereich der Demokratisierung seit Jahrzehnten fordert und was im Verfassungskonvent versprochen wurde, nicht verwirklicht wird, darf auch die Opposition sagen: Wenn Ihr mich für das eine braucht, darf ich euch zu dem anderen zwingen. Der entscheidende Unterschied zwischen diesem Vorgang und den Deals der Regierungsparteien ist, dass die Opposition das öffentlich tut.