"Wer glaubt, sich von der Leistungsgesellschaft verabschieden zu wollen, dem muss klar sein, dass er sich vom Wohlstand verabschiedet." Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ist 2000 als neuer SPÖ-Vorsitzender mit der Vision einer "solidarischen Hochleistungsgesellschaft" angetreten - und ist gescheitert.
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Die Sozialdemokratie hatte von Beginn an Schwierigkeiten mit diesem Begriff. Gusenbauer frönte keinem Leistungsbegriff per se, sondern verband diesen mit dem Bestreben, möglichst wenige "der Lethargie der Armut" zu überlassen.
Für die Sozialdemokratie war Gusenbauers Suche nach einem neuen Weg für eine Partei der Mitte mit starkem Blick auf sozialen Ausgleich zu anrüchig, zu weit rechts.
Dass Gusenbauer gerade über die Pensionsdynamik stolperte, kam nicht von ungefähr. Die Pensionisten sind die stärkste Wählergruppe in der SPÖ. Diese zu verprellen kann man sich nicht leisten. Es war daher einfach, den ungeliebten Vorsitzenden mit diesem Thema zu entsorgen.
Nicht nur der Präsident des Pensionistenverbandes, Karl Blecha, sondern auch viele andere sahen ihre Stunde gekommen, um abzurechnen.
Dabei ist die Pensionsautomatik, nüchtern betrachtet, weder ein Anlass, den Vorsitzenden über die Klinge springen zu lassen, noch die Bundesregierung scheitern zu lassen.
Die Pensionsautomatik bedeutet: Wenn sich die Lebenserwartung um ein halbes Jahr erhöht und der Deckungsgrad der Pensionsbeiträge sinkt, werden Pensionsantrittsalter erhöht, Beiträge erhöht, Pensionshöhe neu festgelegt, Pensionsanpassung korrigiert und der Bundesbeitrag zu den Pensionen erhöht. Selbst wenn dies mittels Verordnung erfolgte, bliebe es doch stets eine politische Entscheidung.
Denn welcher Sozialminister könnte gegen den politischen Willen seiner Regierungskollegen eine derart brisante Verordnung erlassen? Und: Jede neue Regierung kann diese Regelung ändern. Schließlich ist dieses Thema derzeit gar nicht brisant, weil die Formel laut Sozialminister Erwin Buchinger erstmals frühestens im Jahr 2014 schlagend würde.
Warum demontiert die SPÖ ihren Vorsitzenden also gerade jetzt? Da gibt es - wie erwähnt - eine ideologische Kluft innerhalb der Sozialdemokratie, und es gibt eine Unzufriedenheit mit der Person: "Das Problem bist du, Alfred", soll ihm ein Präsidiumsmitglied gesagt haben.
Jetzt überlegt die ÖVP, ob sie die Gunst der Stunde für Neuwahlen nützen soll, ehe Werner Faymann Profil gewinnen kann. Die SPÖ hingegen hofft, dass ihr ÖVP-Chef Wilhelm Molterer bei einem frühen Wahltermin als Gegner erhalten bleibt.
Was aber ändern Neuwahlen? Nehmen SPÖ und ÖVP einen lachenden Dritten in Kauf, nur um ihre Hoffnung, ihr kleines Machtgefüge erhalten zu können, leben zu lassen?