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Dili - Wenige Tage vor den ersten Parlamentswahlen in dem unter UNO-Verwaltung stehenden Osttimor hat sich der frühere Führer der Unabhängigkeitsbewegung, José Alexandre "Xanana" Gusmão, überraschend zur Präsidentschaftskandidatur bereit erklärt.
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Die Symbolfigur des Widerstands gegen die indonesische Okkupation hatte in den vergangenen zwei Jahren wiederholt erklärt, nicht Präsident werden zu wollen. Er wolle lieber als Fotograf tätig sein und sich aus der Politik heraushalten. Nun beendete der ehemalige Führer der marxistischen Fretilin (Frente Revolucionária do Timor Leste Independente) die lang anhaltenden Spekulationen über seine künftige Rolle im unabhängigen Ostteil von Timor. "Ich werde eine Nominierung zum Präsidenten durch die Parteien annehmen, wenn dieselben das Ergebnis der Wahlen akzeptieren", sagte der 55-Jährige am Samstag vor Journalisten in Osttimors Hauptstadt Dili.
Gusmão, Sohn eines armen Lehrers und Zögling einer Jesuitenschule, schloss sich zu Beginn der 70er Jahre der Fretilin an, wurde nach der Proklamation der Unabhängigkeit von Portugal am 28. November 1975 sogar Führungsmitglied und verbrachte die anschließenden Jahre indonesischer Besatzung als Untergrundkämpfer im Dschungel. Seit 1981 Präsident dieser Befreiungsbewegung, schloss er 1983 einen Waffenstillstand mit Indonesien. 1986 gelang es ihm, die unter einander zerstrittenen Gruppen - gemeinsam mit der katholischen Kirche - gegen die indonesischen Besatzer im National Council of Maubere Resistance (CNRM) zu einigen. Als dessen Vorsitzender wurde er im November 1992 verhaftet und wegen Separatismus und Aufruf zur Rebellion zu lebenslanger Haft verurteilt. Internationale Proteste bewirkten eine Umwandlung in 20 Jahre Gefängnis.
Als im Mai 1998 Indonesiens Langzeitdiktator Suharto nach schweren Unruhen stürzte, schien eine politische Lösung des Osttimor-Konflikts näher zu kommen: Gusmãos Haft wurde in Hausarrest umgewandelt, zudem sollte er an politischen Verhandlungen beteiligt werden. Die Osttimoresen lehnten die von Indonesien vorgeschlagene Autonomielösung jedoch ab und votierten für die Unabhängigkeit. Noch während der anschließenden Massaker durch proindonesische Milizen kehrte Gusmão in die Politik zurück, um gemeinsam mit der UNO-Interimsverwaltung UNTAET den Wiederaufbau des Landes zu leiten.
Erst im März dieses Jahres wurde ein Mordkomplott gegen ihn aufgedeckt.