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Gut, aber nur ein Schrittchen

Von Brigitte Pechar

Politik
© Wiener Zeitung/Moritz Ziegler

Langjährige Direktorinnen beurteilen das Schulautonomiepaket.


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Wien. "Das ist eine sehr gute Sache mit einigen sehr guten Eckpunkten", beurteilt Heidi Schrodt das Schulautonomiepaket von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid. Christa Koenne dagegen sieht nur "kleine Schritte" erledigt und bemängelt den fehlenden Mut in der Politik.

Das Schulautonomiepaket sieht vor, dass sich bis zu acht Schulen (Pflichtschulen und Bundesschulen getrennt) regional zu Clustern zusammenschließen sollen. Die Leitung obliegt dem Schulclusterleiter, der ein eigenes pädagogisches Konzept erstellt, mit Lehrern, die er selbst aussuchen kann, mit jahrgangs- und fächerübergreifendem Unterricht und Auflösung der 50-Minuten-Einheiten. Weiterbildung erfolgt bedarfsorientiert. Die Ergebniskontrolle übernimmt das Ministerium, Begleitung und Unterstützung liefern die Landesbehörden. Der Ministerrat hat das Paket, das zahlreiche Gesetzesänderungen umfasst, bereits beschlossen, nun ist das Werk in Begutachtung. Von allen Bundesländern ist am Mittwoch dazu bereits Zustimmung gekommen.

Und wie bei allen Schulgesetzen kommen auch dazu bereits Einwände der Lehrergewerkschaft, die Einsparungen durch die Bildung größerer Klassen erwartet. Die Elternverbände sehen ihr Mitspracherecht gefährdet. Die "Wiener Zeitung" hat dazu zwei langjährige Direktorinnen, beide waren 18 Jahre lang Direktorinnen an Wiener AHS, befragt, die sich beide seit Jahrzehnten mit Autonomie beschäftigen.

Schrodt findet es gut, dass jetzt auch Pflichtschulen, denen alles bis ins letzte Detail vorgeschrieben werde, Gestaltungsmöglichkeiten bekommen. Sie findet es auch gut, dass nicht jede Materie mit Zweidrittelmehrheit abgestimmt werden muss. So habe etwa die Einführung der Fünftagewoche an ihrer ehemaligen Schule, der AHS Rahlgasse, viele Jahre gekostet. Viele Entscheidungen würden das Schulprofil für viele Jahre betreffen, aber von Eltern und Schülern festgelegt, die nur für kurze Zeit an einer Schule seien.

Man müsse noch abwarten, was überhaupt Gesetz wird und ob die Lehrer- und Elternvertreter mitgehen. Und auch, ob die Gemeinden das Angebot annehmen, sagt die Mitinitiatorin von "Bildung grenzenlos". Aber insgesamt ist für Schrodt das Autonomiepaket eines der gelungensten Konzepte der vergangenen Jahre.

Sie sieht allerdings drei große Nachteile: Es fehle die Budgethoheit. Das bedeute, dass zum Beispiel weiterhin um jeden einzelnen Sessel bei der Gemeinde angefragt werden müsse. Problematisch sei auch, dass es nur reine Pflichtschul- oder Bundesschulcluster geben soll. Schrodt sieht darin einen Schritt in die Verländerung. Sie sieht das auch im Zusammenhang mit den noch gesetzlich zu verankernden Bildungsdirektionen.

Der dritte große Nachteil ist für Schrodt, dass es keine Änderung in der Ressourcenzuteilung für Brennpunktschulen, also für Schulen mit einem großen Anteil nicht muttersprachlich Deutsch sprechender Schüler oder mit Schülern mit einem schwachen sozioökonomischen Hintergrund, gibt. Für diese Schulen müsste erhoben werden, wie viel sie mehr brauchen. "Wenn das nicht gemacht wird, dann nützt in solchen Fällen der Cluster nichts. Dann werden wir weiterhin Schüler haben, die am Ende der Schulpflicht nicht sinnerfassend lesen und nicht rechnen können." Ohne diese spezifische Ressourcenzuteilung habe das Reformkonzept eine große Schwäche. Das sei aber ohne großen Aufwand noch korrigierbar, rät Schrodt.

Schärfer ins Gericht mit dem Schulautonomiepaket geht Christa Koenne. Für sie ist das nur "ein Schrittchen". Es fehle die Zielvorgabe: "Wohin soll die Reise gehen?" Die Erfahrung aus anderen Ländern zeige, dass dort, wo radikale Schritte gesetzt worden seien, der Schmerz kurz und heftig gewesen sei, aber dann sei er vorbei gewesen. Es fehle die Vorgabe, was die Jugendlichen am Ende ihrer Schullaufbahn können sollen. "Es fehlen die Bildungsziele."

Das Autonomiepaket sei nicht wohldefiniert, weil nicht klar sei, wohin die kleinen Schritte führen sollen. "Es fehlt die klare Zielvorgabe: gemeinsame Schule, ganztägige Schulformen, Gemeinsamkeit bis zum Ende der Schulpflicht mit einem Abschluss. Wenn man nicht sagen darf, wohin die Reise gehen soll, können die Schritte nicht ernst genommen werden", sagt Koenne.

Außerdem steht für sie nicht so eindeutig fest, dass mehr Freiheit automatisch Verbesserung bringt, vor allem stelle sich die Frage für wen. "Wenn sie genützt wird im Interesse der Lernenden, dann ist es gut. Wenn Autonomie genützt wird im Interesse der Lehrenden, also möglichst kompakten Unterricht mit wenig Unterrichtszeiten zu schaffen, dann geht das in die Hose. Das ist meine eigene Erfahrung als Direktorin."