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Fußball ist auch Show-Business. Besonders verdeutlicht dies die Reaktion von Tormännern bei Elfmeter-Situationen. Wie eine Studie über das Schussverhalten bei Strafstößen in der Premier League herausgefunden haben will, landen statistisch gesehen je ein Drittel der Bälle im linken Eck, im rechten Eck oder in der Mitte des Tores. Das heißt, die Chance für den Goalie, überhaupt den Ball zu fassen zu kriegen, liegt bei 33 Prozent. Interessant ist aber, dass sich 90 Prozent der Goalies in jedem Fall für eine der beiden Ecken entscheiden - und nur zehn Prozent stehen bleiben. Sinn ergibt das nach Adam Riese nicht, dabei ist der Grund einfach: Es schaut halt besser aus.
Nehmen wir das WM-Finale 1974 zwischen Deutschland und den Niederlanden, als beide je einen Strafstoß kassierten, als Beispiel. Dabei reagierten die Torhüter, als sie die Schüsse von Johan Neeskens (2.) und Paul Breitner (25.) zu halten versuchten, korrekt - nur hätte der Eindruck, den sie hinterließen, unterschiedlicher nicht sein können. Denn während sich Sepp Maier von Neeskens mehr oder weniger spektakulär verladen ließ (und der Ball in der Tormitte landete), blieb Hollands Jan Jongbloed stehen und musste verdattert zusehen, wie Breitners Ball neben ihm ins Tor kullerte. Die Schlussfolgerung der Presse ("Deutschland siegt wegen des besseren Torhüters") war ebenso eindeutig wie falsch. Jongbloed reagierte mathematisch gesehen nicht schlechter als Maier und stand dennoch nach der 1:2-
Niederlage als Buhmann da.
Es lohnt sich also mit Sicherheit, bisweilen genauer nachzurechnen und nachzuschauen, bevor ein Show-Act zur hohen Sportkunst erhoben und scheinbares Nichts-Tun als Fehler verdammt wird. Und das gilt nicht nur für Goalies.