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Die vergangenen vier- bis fünfhundert Jahre haben die Roma in Zentraleuropa und auf dem Balkan am Rand der Gesellschaft gelebt. Ironischerweise gehörten sie zu denjenigen, die wohl am meisten von den kommunistischen Regimes des ehemaligen Ostblocks profitiert hatten. Denn auch wenn sie nicht zur Elite der Länder gehörten, so hatten sie doch wie alle anderen bezahlte Berufe und waren weitgehend integriert.
Erst der Zusammenbruch des Kommunismus drängte die Roma wieder ab, sie waren die Verlierer der Wende. Aufgrund dieser Analyse hat EU-Sozialkommissar Laszlo Andor sich die Integration dieser größten Minderheit in der EU mit geschätzten zehn Millionen Menschen auf die Fahnen geheftet. "Die Ignoranz der vergangenen zwei Jahrzehnte muss wettgemacht werden", betonte er. Seine Bemühungen mündeten vor dem Sommer in der Verabschiedung der EU-Roma-Strategie, der alle Staats- und Regierungschefs zustimmten.
Dass die Roma deshalb bloß vier Monate später in der Mitte der Gesellschaft ankommen würden, war freilich nicht zu erwarten. Die EU-Kommission ist nur in der Lage, sanften Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben; die theoretisch für die Förderung der Minderheit zur Verfügung stehenden hunderten Millionen Euro aus den EU-Töpfen für die Regionalförderung sind nicht von heute auf morgen abzurufen. Und zu tief sind die gesellschaftlichen Gräben inzwischen, die Entfremdung zwischen den Angehörigen der Minderheit und ihren Landsleuten ist bereits weit fortgeschritten.
Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammarberg, warnte zuletzt sogar vor einer zunehmenden Feindseligkeit gegenüber "Zigeunern" in Europa. Das zeigt sich anschaulich in Rumänien, wo mit geschätzten zwei Millionen die meisten Roma leben. Weil diese laut Umfragen bei rund 80 Prozent der gut 20 Millionen Rumänen unbeliebt seien, hätten die Politiker wenig Ansporn, sich für die Minderheit einzusetzen, erklärte etwa der rumänische Antidiskriminierungsbeauftragte Csaba Ferenc Asztalos.
Auch Andor gibt sich daher keiner Illusion hin - schon die Einigung auf die Roma-Strategie wird als Erfolg gesehen. Erste sichtbare positive Auswirkungen erwartet die Kommission frühestens in vier Jahren. Konkrete Ziele sind bis dahin nicht festgeschrieben, dafür sind die Wohnsitzländer der Minderheit zu unterschiedlich. Und auch dann wird die Arbeitslosigkeit unter den Roma im Schnitt noch immer deutlich höher sein, das Einkommen niedriger und die Bildung schlechter als jene ihrer Mitbürger.
Die Lücke könnte aber kleiner werden, so könnte die Quote von Roma-Kindern, die in die Schule gehen, deutlich steigen. Eine stabile Integration in die Gesellschaft wird wohl mindestens zwei weitere Jahrzehnte brauchen - so lange, wie das Problem seit der politischen Wende in Europa vernachlässigt wurde.