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Gut gegen Böse

Von Alexandra Grass

Wissen

Was uns die Mikrobenbesiedlung des Darms über Antibiotika verrät.


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New York/Wien. Antibiotika sind auch heute noch ein zweischneidiges Schwert: Einerseits besitzen sie die Fähigkeit, ein breites Spektrum an Bakterien abzutöten, die für Infektionen verantwortlich sind. Sie schädigen jedoch andererseits unsere Darmflora, beeinträchtigen unser Immunsystem und erhöhen unsere Anfälligkeit für Infektionen durch Superbakterien, schreiben Forscher im Fachblatt "Trends in Molecular Medicine". Die Lektionen, die wir aus diesen Einflüssen gelernt hätten, würden neue Ansätze zeigen, um die "guten" Bakterien vor negativen Nebeneffekten zu bewahren.

Den Forschern zufolge stören Antibiotika die Kommunikation zwischen Mikroben des Darms und dem Immunsystem derart, dass günstige Konditionen für weitere Infektionen entstünden. In den letzten zehn Jahren hat die Wissenschaft festgestellt, dass die Bakteriensymbiose, die unseren Verdauungsapparat stabilisiert, auf molekularer Ebene mit den Immunzellen kommuniziert. Durch den Einsatz der Infektionskeule würden die Signale der Mikroben aber verloren gehen und damit vorübergehend die Fähigkeiten der Immunzellen außer Kraft setzen. Antibiotikagaben im Kindesalter werden auch mit späteren Erkrankungen wie Asthma in Verbindung gebracht. Es wird angenommen, dass das Vorhandensein bestimmter Bakterien für die Entwicklung des Immunsystems wichtig ist. Daher würden Antibiotika letzten Endes die Ausbreitung von Erregern begünstigen, schreibt Eric Pamer vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York.

Vom Permafrost bis zum menschlichen Verdauungstrakt seien überdies von Natur aus antibiotikaresistente Gene angesiedelt, so Simone Becattini von Pamer’s Labor. Werden nun Bakterienpopulationen ohne diese spezifischen Gene abgetötet, multiplizieren sich die Überlebenden und übertragen sie diese Resistenzgene in andere Bakteriengruppen. Umso häufiger eine Person Antibiotikagaben erhält, umso wahrscheinlicher wird die Bildung von Resistenzen. Eine Studie zeigt, dass 40 Prozent der menschlichen und tierischen Bakterien solche Resistenzgene gegen Breitbandantibiotika in sich tragen.

Dabei seien sie nicht die einzige Waffe gegen unliebsame Eindringlinge, schreiben die Forscher und nennen Alternativen: Bacteriocine, giftige Abbauprodukte der Bakterien, könnten Mitbewerber abtöten, ohne die Darmflora zu schädigen. Des weiteren könnte die Genschere Crispr-Cas9 zur Anwendung kommen, um Antibiotikaresistenzgene zu entfernen. Die Transplantation von Fäkalien könnte das Gleichgewicht des Mikrobioms bewahren und so den Körper gegen Bakterien resistent machen. All diese Lösungsansätze befinden sich in Entwicklung.