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Gut gemeint

Von Bernhard Baumgartner

Leitartikel
Bernhard Baumgartner ist Redakteur im Kultur-Ressort der "Wiener Zeitung".
© WZ / Thomas Seifert

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Wie schnell sich Sammeln, Auswerten und Verkaufen von Daten zu einem die Demokratie gefährdenden Problem auswachsen kann, ist nicht zuletzt seit dem Skandal um Cambridge Analytics klar. Das britische Unternehmen macht kein Hehl daraus, wie sehr es am Erfolg der Kampagnen von Donald Trump und den Brexit-Befürwortern beteiligt war. Hier wurde mit Social-Media-Daten und mitunter durch glatte Desinformation maßgeschneiderte politische Werbung betrieben.

Datenaggregation ist also nicht nur ein Milliardengeschäft, wie Facebooks Werbeumsätze im dreistelligen Milliardenbereich zeigen. Es ist ein Bereich, in dem massive Regulierung und Überwachung durch die öffentlichen Stellen dringend nötig ist.

Teil der europäischen Antwort auf diese Probleme ist die Datenschutzgrundverordnung, eine EU-Verordnung, die in ihrer heimischen Adaption am 25. Mai in Kraft treten wird. Sie versucht, einen europäischen Datenschutz zu etablieren. Ihr Mittel dazu ist jedoch genauso typisch wie fragwürdig: Denn sie versucht es mit ausufernder Bürokratie. Und zwar nicht nur für die internationalen Konzerne, die es eigentlich betreffen sollte und die sich das auch locker leisten können, sondern für alle: Egal ob Ein-Personen-Firma oder Weltkonzern, egal ob Bayern München oder der Fußballklub von St. Peter in der Au, egal ob Medizin-Multi oder Hausarztpraxis: Alle müssen sich der Textflut stellen, die die DSGVO auslöst. Besonders schlimm ist, dass auch jeder Verein, jede Pfadfindergruppe, jeder Modellbauklub, jede Freiwilligeninitiative der Zivilgesellschaft betroffen ist. Menschen, die in ihrer Freizeit dafür sorgen, dass Kinder Sport betreiben oder in die Natur kommen, müssen sich unter der Androhung existenzbedrohender Strafen durch hunderte Seiten Material ackern.

Eine Übertreibung? Mitnichten: Alleine das nötige "Datenverarbeitungsverzeichnis" für einen simplen Vereins-Newsletter umfasst 19 Seiten Juristendeutsch. Die übrigen, gut ein Dutzend Dokumente, die zum Teil auf jeder Homepage veröffentlicht werden müssen, sind auch nicht besser. Es steht zu vermuten: Kaum jemand wird sich das ansehen oder gar verstehen. Und trotz des Aufwands wird nicht ein einziges Spam-Mail verhindert.

Dass die Bundesregierung nun in der Vorwoche überraschend das Gesetz durch das Prinzip "Information statt Strafe" (zum Entsetzen mancher Datenschützer) wieder entschärft hat, ist auch eine Notwehrmaßnahme, um die Zivilgesellschaft vor einer Anzeigenflut in reiner Schadensabsicht zu schützen. Dass man Vereine nicht gleich prinzipiell ausgenommen hat, ist jedoch bedauerlich. Wertvolle Freiwilligenarbeit sollte unterstützt und nicht mit Bürokratie behindert werden.