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EU-Lieferkettengesetz: Unternehmen sollen künftig negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechte und Umwelt ermitteln und verhindern. Das klingt löblich, doch es ergeben sich noch erhebliche rechtspolitische Bedenken.
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Die EU-Kommission hat Anfang 2022 ihren Vorschlag für eine "Corporate Sustainability Due Diligence"-Richtlinie veröffentlicht, um nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. Nach Einigungen im Europäischen Rat und im EU-Parlament hat nun mit dem sogenannten Trilog die letzte Verhandlungsrunde zu diesem Rechtsakt begonnen. Das auf EU-Ebene geplante Lieferkettengesetz soll Unternehmen verpflichten, negative Auswirkungen, die ihre Tätigkeiten in Hinblick auf Menschenrechte und Umwelt verursachen, zu ermitteln und zu verhindern. Das klingt löblich, doch bei genauer Betrachtung ergeben sich erhebliche rechtspolitische Bedenken.
Das neue EU-Lieferkettengesetz schreibt Sorgfaltspflichten für Unternehmen, ihre Tochtergesellschaften und Wertschöpfungsketten vor, die tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte (wie Kinderarbeit und Ausbeutung) oder die Umwelt (wie Verschmutzung oder Verlust an biologischer Vielfalt) haben. Unternehmen müssen diese Sorgfaltspflichten in Managementsysteme integrieren, negative Folgen ermitteln, diese verhindern oder mindern, Beschwerdeverfahren einrichten und öffentlich berichten. Zudem müssen große Unternehmen sicherstellen, dass ihre Geschäftsstrategie das Pariser Übereinkommen zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad berücksichtigt.
Welche Bedenken gibt es seitens der Wirtschaft? Nun, die Durchsetzung von Umwelt- und sozialen Standards sowie Menschenrechten ist eigentlich eine staatliche Aufgabe. Die Übertragung auf Unternehmen ist problematisch und widerspricht dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Zudem soll das Pariser Klimaabkommen Unternehmen binden, obwohl Expertinnen und Experten das Erreichen von dessen Zielen für praktisch nicht mehr möglich halten.
Wichtige Punkte bleiben offen
Dem Vorschlag mangelt es jedenfalls an Rechtssicherheit. Wichtige Punkte bleiben offen, wo die Unternehmen klare Vorgaben benötigen. Eine Umsetzung der Pflichten entlang der gesamten globalen Wertschöpfungskette ist zudem realistisch nicht möglich. Die Verantwortung sollte sinnvoll auf den Einflussbereich der Unternehmen begrenzt werden.
Es stimmt, dass die Richtlinie an sich nur größere Unternehmen verpflichtet. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wären allerdings indirekt massiv betroffen, denn die erfassten Unternehmen müssen ihre Verpflichtungen entlang der Wertschöpfungskette weitergeben ("Trickle-down-Effekt"). Und das birgt die Gefahr, dass die Verantwortung zivilrechtlich auf ihre Vertragspartner (oft KMU) übertragen wird. Die kleineren Unternehmer müssten Vertragsklauseln akzeptieren, da sie sonst ausgelistet würden. Der administrative Aufwand und die Kosten für Verwaltungsvorschriften belasten kleine Unternehmen unverhältnismäßig stärker.
Für Europas Wirtschaft würde das Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu konkurrierenden Märkten in anderen Weltregionen bedeuten, umso wichtiger wäre eine einheitliche Anwendbarkeit. Unterdessen arbeitet die EU parallel an mehreren Rechtsakten zur nachhaltigen Unternehmensführung - diese müssen koordiniert werden, um Überschneidungen zu vermeiden.
Die Ziele des EU-Lieferkettengesetzes sind also grundsätzlich unterstützenswert, doch die aktuelle Ausgestaltung lässt zu viele Fragen offen. Es bedarf sorgfältiger Abwägungen, um die Ziele des nachhaltigen Wirtschaftens mit Europas Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen. Ein überstürzter und unzureichend durchdachter Ansatz wird dem Vorhaben nicht gerecht.