Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht. Das gilt auch für das Krisenmanagement der Eurozone. Mit für einen Zentralbankchef erstaunlicher Offenheit kritisiert der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, die Banken-Stresstests.
Die Idee war gut, die Umsetzung miserabel. Herausgekommen ist das Gegenteil dessen, was beabsichtigt war. Die Stresstests sollten das Vertrauen der Finanzakteure in die europäischen Banken zurückbringen. Dazu sollten die Institute gezwungen werden, sich mit einem größeren Kapitalpuffer für den Ernstfall zu rüsten.
Die USA waren das Vorbild - dort hatte das im Mai 2009 funktioniert. Allerdings unter völlig anderen Vorzeichen, wie Draghi betont: In den Vereinigten Staaten war klar, woher das Geld kommt: Der Staat hat Banken, bei denen Kapitalbedarf festgestellt wurde, zwangsbeglückt.
In Europa war zum Zeitpunkt der Stresstests im Herbst 2011 weder der Euro-Rettungsfonds EFSF für eine Banken-Rekapitalisierung gerüstet, noch war geklärt, wie die mit ihren eigenen Schuldenbergen ringenden Staaten eine zweite Runde von Bankenhilfen stemmen sollten. Ganz zu schweigen von politischen Hürden und öffentlichen Widerständen, auf die eine neuerliche "Bankenrettung" stieße.
Die Folge: In Europa ist das Misstrauen gegenüber den Banken größer denn je, weil alle zur gleichen Zeit gewaltige Kapitalbeträge aufstellen sollen. Kaum jemand weiß, wie - wo doch die meisten Investoren sich derzeit von Banken möglichst fernhalten.
Die Kursverluste der Unicredit rund um ihre Kapitalerhöhung waren nur ein Vorbote. Es besteht die Gefahr, dass die Probleme auf andere Banken abschreckend wirken und diese - statt sich über die Börse oder bei den Eigentümern Kapital zu beschaffen - mit Bilanztricks oder einer Kreditverknappung die Kapitalquoten erfüllen wollen. Beides wäre ganz und gar nicht im Sinne der Erfinder.
Zurücknehmen kann die EBA den Aufruf zur Kapitalaufstockung nicht: Das wäre ein desaströses Eingeständnis, dass die Banken dazu momentan nicht in der Lage sind. Für die Zukunft rudert die Behörde aber teilweise zurück: Der reguläre Stresstest, der jedes Jahr im Juli veröffentlicht werden sollte, wird heuer verschoben - der neue Zeitpunkt sei offen, sagte eine Sprecherin zum "Handelsblatt".
Gut gemeint, katastrophal umgesetzt: Das gilt auch für den "freiwilligen" Schuldenschnitt, den die Politik von privaten Gläubigern gefordert hat. Was Griechenland vor der Pleite retten sollte, droht das Land endgültig in den Bankrott zu treiben: Einzelne Investorengruppen hoffen, aus einer Staatspleite Profit schlagen zu können.