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Gut gemeint ist nicht gut gesagt

Von Susanne Veil

Politik

Die Debatte um Asylpolitik zeigt, dass politische Korrektheit in der Sprache den Betroffenen oft einen Bärendienst erweist.


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"I kumm aus am Land, wo Asylanten an Wechselkurs ham, ned da Schweizer Franken", sangen 5/8erl in Ehr’n in ihrer politischen Bestandsaufnahme der Republik "Alaba - How do you do?" Donnerstag auf der Popfestbühne. Politische Korrektheit ist ein einflussreiches, aber häufig missverstandenes Konzept. So traut sich heute nahezu keiner mehr, den Begriff "Asylant" zu verwenden, aufgrund seiner negativen Konnotation, mit der die 5/8erl so kunstvoll spielen. Dafür greift die politische Debatte zu anderen Bezeichnungen, um das Stilregister zu erweitern. "Flüchtlinge", "Migranten", "Schutzbedürftige", "Asylwerber" werden heute nahezu synonym gebraucht.

Doch nicht nur negative Färbungen scheinen bei der Suche nach neuen Umschreibungen eine Rolle zu spielen: Unverbrauchte Begriffe werden verlangt, weil alte als abgenutzt empfunden werden. Sie bringen eine ganze Welt ideologischen Ballasts mit sich. So fordern manche bereits, "Flüchtling" nicht zu verwenden, weil das Wort von einigen Medien negativ ausgeschlachtet würde und die Menschen in eine Opferrolle dränge. Der englische Begriff "Refugee" sei daher viel besser geeignet, die "Schutzsuche" der Menschen auszudrücken, wird unter anderem in sozialen Medien diskutiert.

Völlig falsches Verständis

Je emotionaler eine Debatte geführt wird, desto schneller scheinen sich die Begriffe abzunutzen. Die Beobachtung teilt Fritz Hausjell vom Institut für Publizistik und Kommunikationsforschung der Universität Wien: "Wir erleben derzeit, wie durch eine harte Auseinandersetzung auf dem Rücken der Flüchtlinge Politik gemacht wird. Dabei werden alle in einen Topf geworfen." Die Politik versuche zu provozieren und nun gehe es manchen darum, "adäquate neue Begriffe zu finden".

Dieses Verständnis von "political correctness" hält die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak für völlig falsch. Sie warnt davor, "political correctness" als stilistisches Problem zu verstehen und daher juristische Begriffe durch andere zu ersetzen: "Stilistische Fragen haben in gesetzlich definierten Zusammenhängen meist keinen Platz." Sie erinnert daran: "An sich geht es bei political correctness darum, dass man Begriffe nicht verwendet, welche die Gruppe selbst als diskriminierend erlebt. Das war der Ursprung der political correctness in den USA ."

"Asylwerber" und "Flüchtling" sind gesetzliche Termini, die durch internationale Verträge genau definiert sind, zu deren Einhaltung sich Österreich verpflichtet hat. Laut Genfer Flüchtlingskonvention ist ein Flüchtling eine "Person, die [...] wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung hat und den Schutz [seines] Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren kann." Die 1951 verabschiedete Konvention war ursprünglich übrigens zum Schutz europäischer Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg gedacht.

"Migranten" hingegen erklärt Wodak, sind "jene Menschen, die kommen, weil sie - auch durchaus legitimer Weise - ein besseres Leben wollen." Sonst gäbe es auch die USA nicht in ihrer heutigen Form. "Flüchtlinge hingegen sind diejenigen, welche alles zurücklassen, weil sie um ihr Leben bangen."

Begriffe verschaffen Recht

Der Begriff "Schutzsuchende" sei ein Euphemismus, denn Schutz suchend könne auch jemand sein, der Schutz vor Gewitter suche und alle Menschen könnten zu einer bestimmten Zeit vor spezifischen Phänomenen (die nicht lebensbedrohlich sein müssen) Schutz suchen, so Wodak. Dies sei nicht vergleichbar mit politischen Ereignissen, die zu einer Flucht etwa aus einem Kriegsgebiet führen. Wenn man nun einen Euphemismus verwendet, lenke dies die Debatte in eine ganz andere Richtung. Durch den Begriff "Migranten" beispielsweise spreche man den Menschen den rechtlichen Status "Flüchtling" ab. Auch mit dem Wort "schutzsuchend" nehme man den Menschen durch eine "verflachte Definition" ihr genau definiertes Recht. "Subsidiär Schutzbedürftige" bezeichnet juristisch den gesetzlichen Status einer Person, die keinen Flüchtlingsstatus erhielt, der aber dennoch in ihrer Heimat gewalttätige Übergriffe drohen.

Beschönigung der Umstände

So sieht Hausjell auch in der Thematik um sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge das Versäumnis bei der Politik, die Begriffe ungenau verwende. Er erinnert daran, dass "Wirtschaftsflüchtling" 1948 die damals aus Jugoslawien Flüchtenden bezeichnete. Damit waren Menschen gemeint, die nicht politisch verfolgt wurden, aber keine Perspektive sahen für ein Leben im neu gegründeten Staat. Die zweite Gruppe, die man historisch als "Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichnete, so Hausjell, waren allerdings Steuerflüchtlinge, die Österreich zur Steuerersparnis verließen. Wenn also Menschen, die heute in ihrem Heimatland keine ökonomische Perspektive mehr haben, weil sie dort zu verhungern drohen, "Wirtschaftsflüchtlinge" genannt werden, dann sei auch dies eine Beschönigung der Umstände.

Anstatt immer wieder neue Begriffe zu suchen, sieht Hausjell die Aufgabe der NGOs, Wissenschafter und Medien darin, darauf zu achten, wenn von Politikern Begriffe falsch verwendet würden. Dann müsse gegebenenfalls widersprochen werden.

Dass "Sprachgebrauch bestimmte Wirklichkeiten mitkonstruiert, ist sehr entscheidend", ist auch Wodak überzeugt. Es sei wichtig, genau definierte Situationen mit genau definierten Begriffen zu bezeichnen. Damit - wenn Menschen schon in Kategorien eingeordnet werden müssen - jeder die Bezeichnung bekommt, die ihm zusteht.