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Höchst an der Zeit, einen bemerkenswerten Abgang ins Bewusstsein zu rücken: Der bedingungslose Pazifist ist nicht mehr.
Die Debatte um eine Intervention in Syrien - und zuvor schon jene rund um Libyen - zeigt, dass diejenigen, die sich gegen ein Eingreifen in den Bürgerkrieg aussprechen, dies ausschließlich aus taktischen Überlegungen tun. Die Vorstellung, dass Gewalt grundsätzlich kein Mittel zum Zweck in den internationalen Beziehungen sein könne, klingt wie ein eingefrorener Posthornton aus vergangenen Tagen.
Ist das jetzt nun - weltgeschichtlich betrachtet - ein Fortschritt oder Rückschritt?
Tatsache ist: Krieg hat seinen absoluten Schrecken verloren. Der Albtraum nuklearer Zerstörung ist verblasst, genauso wie die Erinnerung an den "totalen Krieg" von 1939 bis 1945. Und der Fortschritt der Waffentechnologien hat dem Westen die Illusion eingepflanzt, Schläge mit chirurgischer Exaktheit gegen einen Feind aus großer Entfernung ausführen zu können.
Nicht einmal mehr die Utopie vom Krieg der Maschinen, den die eigenen Soldaten von ihren High-Tech-Schreibtischen aus führen können, erscheint mehr fern. Das Sterben auf dem Schlachtfeld würde damit, zumindest für die technologisch überlegene Seite, zur raren Ausnahme von der Regel.
Nüchterne Zahlen belegen dies: Der jüngste Einsatz in Libyen erfolgte ausschließlich aus der Luft, und selbst im Irak stehen rund 125.000 getötete Soldaten, Sicherheitskräfte und Zivilisten 4800 getöteten Soldaten der internationalen Allianz gegenüber (2003 bis Ende 2011). In Vietnam starben noch fast 60.000 US-Soldaten, die Schätzungen für die vietnamesische Seite gehen von rund 1,5 Millionen Opfern aus.
Krieg ist also vor allem deshalb wieder als Möglichkeit in die Rhetorik westlicher Politiker zurückgekehrt, weil seine Kosten an Leib und Leben erheblich gesunken sind.
Ein anderer Grund liegt im Siegeszug, den die Idee der universellen Menschenrechte durch die globale Öffentlichkeit angetreten hat. Seitdem besteht in letzter Konsequenz de facto die moralische Pflicht zur militärischen Intervention im Falle schwerer Menschenrechtsverletzungen eines Regimes. Natürlich werden auch weiterhin die politischen wie wirtschaftlichen Kosten eines Eingreifens abgewogen, dennoch gilt: Gut ist nur noch, wer auch kämpfen will.