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Gerichtssachverständiger muss nachrechnen, weiter Zeugen geladen.
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Wien. Dann war wieder alles anders. Waren die Beobachter des Telekom-V-Prozess rund um den Verkauf von Gebäudeteilen der unternehmenseigenen Immobilie am Schillerplatz im 1. Bezirk davon ausgegangen, dass am Mittwoch, ja vielleicht sogar schon am Dienstag Urteile fallen konnten, so heißt es jetzt weiterhin warten. Richterin Claudia Moravec-Loidolt hat die Verhandlung auf den 4. April vertagt -"mit Open End".
Dabei schien der Sachverhalt am Anfang so einfach. Wegen Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu müssen sich seit Jänner die ehemaligen Telekom-Vorstände Heinz Sundt und Stefano Colombo sowie der frühere ÖBB-Boss Martin Huber und seine Ehefrau Barbara Huber-Lipp verantworten. Die Hubers gründeten die SP4 Projektentwicklungsgesellschaft, über die sie im Jahr 2006 Gebäudeteile der Telekom-Immobilie am Schillerplatz 4 um 5,4 Millionen Euro erwarben. Die SP4 wurde ein Jahr später um knapp 11 Millionen Euro an die Seeste Bau weiterverkauft. Sundt und Colombo wirft der Staatsanwalt vor, das Gebäude viel zu billig verkauft zu haben. Die Anklage fußt auf dem Gutachten des Gerichtssachverständigen Roland Popp, der einen Wert von 9,8 Millionen errechnet hatte. Jedoch hatte er das begonnene Entwicklungsprojekt - die Errichtung von Luxuswohnungen - mitberücksichtigt. Daraufhin erteilte ihm Moravec einen Ergänzungsauftrag: Er solle den reinen Wert der Gebäudeteile berechnen.
"Gutachter entweder nicht fähig oder nicht willens"
Mit der Erörterung dieses neuen Gutachtens brachte man denn auch den gesamten Dienstagnachmittag zu. Popps Expertise wurde von allen Seiten abermals zerpflückt. Zwar kam er diesmal auf einen Wert von 5,5 Millionen Euro ohne begründetes Wohnungseigentum und 6,9 mit Wohnungseigentum. Damit wäre die Anklage ja beinahe hinfällig. So einfach ist die Sache aber nicht.
Sundts Anwalt Martin Nemec bemängelte etwa, dass Popp keine Abschläge für die mögliche Gesundheitsgefährdung durch die auf dem Haus platzierten Telekom-Sendemasten berücksichtigt habe. Zudem weise das Gutachten zahlreiche andere Mängel, etwa Rechenfehler, auf. Seine Schlussfolgerung: Der Gutachter "ist entweder nicht fähig oder nicht willens, ein ordnungsgemäßes, widerspruchs- und mangelfreies Gutachten zu erstatten". Er verlangte daher, wie auch die anderen Verteidiger, abermals die Bestellung eines neuen Gutachters.
Die Richterin erteilte Popp vorerst lieber einen weiteren Ergänzungsauftrag: Er muss nun seine Ergebnisse nachrechnen und alle seine Quellen offenlegen. Außerdem werden drei weitere, von Staatsanwalt Michael Radasztics beantragte Zeugen, geladen: Ein Telekom-Mitarbeiter und zwei Immobilienentwickler, die der Telekom ebenfalls Angebote für den Schillerplatz unterbreitet hatten. Einer hatte vergangene Woche in einem Mail an Radasztics gemeint, sein Angebot sei von der Telekom mit der Begründung abgelehnt worden, "dass das bereits auf höherer Ebene gedealt sei".
Vor der Gutachtenserörterung waren am Dienstag drei Zeugen geladen: Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer, der als Anwalt den Vertrag für die SP4 erstellt hatte und sich entschlug, sowie Michael Möstl, Geschäftsführer der Seeste Bau und Telekom-Innenrevisor Christopher Schneck.