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Gute Arbeitgeber, böse Arbeitgeber

Von Marina Delcheva

Politik

Bonus-Malus-System für ältere Beschäftigte Thema beim Sozialpartner-Gipfel. Kritik kommt von Unternehmensvertretung.


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Wien. Unternehmen, die ältere Arbeitnehmer beschäftigen, sollen belohnt werden. Jene, die das nicht tun, werden bestraft. So in etwa soll das künftige Bonus-Malus-Quotensystem für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer aussehen. Je nach Branche wird eine gesetzliche Mindestquote für ältere Arbeitnehmer in Unternehmen ab mindestens 25 Angestellten festgelegt. So steht es zumindest im Regierungsprogramm. Allerdings könnte bei den Verhandlungen herauskommen, dass diese branchenspezifische Quote nicht notwendig ist und man sich am demografischen Durchschnitt orientiert. Insidern zufolge sollen sich Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter heute zu einem internen Gespräch am Rande des Sozialpartnergipfels in Bad Ischl treffen. Ob es bis Ende Oktober, wie von Sozialminister Rudolf Hundstorfer angedacht, auch einen Gesetzesentwurf zum neuen System gibt, ist noch offen. Das Sozialministerium war bis Redaktionsschluss für keine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Hintergrund dieses Bonus-Malus-Systems für die flächendeckende Beschäftigung älterer Arbeitnehmer ist die Anhebung des faktischen Pensionsantrittalters von derzeit 58,4 Jahren auf 60 bis zum Jahr 2018. "Damit die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe nicht steigt, soll es eben ein Bonus-Malus-System geben", sagt David Mum von der Gewerkschaft der Privatangestellten zur "Wiener Zeitung".

Im Regierungsprogramm ist die Abschaffung der Auflösungsabgabe für Unternehmer vorgesehen. Diese wird etwa dann fällig, wenn der Arbeitgeber einen Dienstnehmer entlässt. Sie beträgt 115 Euro pro Dienstnehmer. Pro Jahr hat diese Regelung rund 50 Millionen Euro eingebracht.

Kritik von Industrieund Wirtschaftskammer

Künftig soll es sie aber nicht mehr geben. Stattdessen sollen Unternehmer, die ihre Älteren-Quote nicht erfüllen, eine Malus-Abgabe zahlen müssen. Konkret könnte pro Monat ein dreistelliger Eurobetrag fällig werden; und zwar so lange, bis die festgesetzte Quote erreicht ist. In Summe soll das Malus-System in etwa so viel bringen wie die Auflösungsabgabe bisher. Als Bonus erhalten Arbeitgeber auf der anderen Seite eine Förderung, wenn sie ältere Arbeitslose anstellen. Das Geld dafür soll aus den Malus-Zahlungen kommen. Konkret soll die Hälfte des Geldes in Bonus-Zahlungen fließen und die andere Hälfte in gesundheitsfördernde Maßnahmen am Arbeitsplatz. "Im Endeffekt ist es ein Nullsummenspiel für die Unternehmer", sagt Mum. Bonus-Zahlungen soll es schon ab 2015 geben. Der Malus-Teil soll erst 2017 in Kraft treten.

Als Nullsummenspiel sehen die Industriellenvereinigung (IV) und die Wirtschaftskammer (WKO) das neue Bonus-Malus-Quotensystem aber nicht. WKO-Präsident Christoph Leitl sagte vergangene Woche im Klub der Wirtschaftspublizisten, dass er das Bonus-Malus-System "für eine sehr schlechte Idee" halte. "Wir haben keine Freude damit", sagt auch Christoph Neumayer, Generalsekretär der IV, am Montag im Rahmen der Präsentation der Initiative "Perspektive 50+" für ältere Arbeitnehmer. Das System bringe zusätzliche Bürokratie und Kosten für die Unternehmer mit sich. "Wie soll ein Betrieb sicherstellen, dass er genau in der Region, in der er tätig ist, genug Arbeitskräfte in der jeweiligen Altersgruppe findet, die die entsprechende Eignung mitbringen", fragt etwa Veit Schmid-Schmidsfelden, Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales in der IV. Einmal mehr fordern die Vertreter der Industrie eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, damit Engpässe besser überbrückt werden können.

Statt des Bonus-Malus-Quotensystems fordern die Industrie-Vertreter auch die Abschaffung des Senioritätsprinzips, wonach ältere Arbeitnehmer mehr verdienen als jüngere. Dieses und der umfassende Kündigungsschutz für Arbeitnehmer über 50 würden es von vornherein schwer machen, ältere Arbeitnehmer überhaupt einzustellen. "Ältere länger im Arbeitsprozess zu halten ist wegen des zunehmenden Fachkräftemangels unerlässlich", sagt Neumayer. Da seien keine Zusatzmaßnahmen notwendig.

Tatsächlich ist die Beschäftigungsquote der über 50-Jährigen in der Industriebranche gestiegen. Waren 2008 noch 235.740 Industrie-Beschäftigte in der Altersgruppe 50-plus, sind es heuer 284.321. In den anderen Branchen sieht es da aber etwas düsterer aus, obwohl die Anzahl der älteren Beschäftigten überall zumindest leicht steigt. Schlusslicht mit etwas mehr als 30.000 50-plus-Beschäftigten ist die Gastronomie. Diese könnte auch überdurchschnittlich hart vom neuen Bonus-Malus-System getroffen werden, weil dort das Personal in der Regel jünger ist. Zudem fordert die Industrie die Einführung der Teilpension. Diese Forderung unterstützt auch Andreas Kohl, Obmann des Seniorenbunds: "Wenn in den kommenden Jahren die sogenannten ‚Baby-Boomer‘-Jahrgänge in die Nähe des Pensionsantrittsalters aufrücken, so müssen wir möglichst viele von ihnen in Beschäftigung halten beziehungsweise nach Verlust des Arbeitsplatzes oder Erkrankung wieder in Beschäftigung bringen können."

Der Gewerkschaftsbund verteidigt naturgemäß das geplante Quotensystem. "Es ist sinnlos, das Pensionsantrittsalter anzuheben und den Menschen aber keine Arbeitsplätze anzubieten", sagt Bernhard Achitz vom Gewerkschaftsbund zur "Wiener Zeitung".

Schlechte Notenfür Pensionssystem

Wie notwendig die Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters ist, zeigt die am Montag veröffentlichte Studie "Melbourne Mercer Global Pension Index 2014" des Beratungsunternehmens Mercer. Die Studie untersucht die Altersversorgung verschiedener Länder mit Blick auf drei Fragen: Ist die Höhe der Pensionen angemessen? Ist das jetzige System in der Zukunft finanzierbar? Wie vertrauenswürdig sind die Möglichkeiten einer privaten Pensionsvorsorge? Österreich belegt den unrühmlichen 17. Platz von insgesamt 25 untersuchten Ländern. Das zweitschlechteste Ergebnis gibt es in der Kategorie Nachhaltigkeit - also wie zukunftsträchtig und finanzierbar das Pensionssystem ist. Franz Schellhorn von Agenda Austria, die an der Studie mitgearbeitet haben, empfiehlt unter anderem das Antrittsalter automatisch an die aktuelle Lebenserwartung anzupassen, wie das etwa in Schweden der Fall ist. Zudem plädiert er für mehr Transparenz im Pensionssystem. Platz eins im Ranking belegt übrigens Dänemark.