Biomaterialien ersetzen umweltschädliche Produkte. | Österreich buhlt um Ansiedlungen. | Hannover. Mit Biotechnologie könnte das Weltklima gerettet werden, behauptet die Umweltschutz-Organisation WWF: Umweltschädliche Produkte könnten ersetzt werden - ohne Abfälle, ohne zusätzliche CO2-Emissionen. Wie eine Bio-Ökonomie mit Bio-Raffinerien und Bio-Reaktoren in den EU-Ländern rasch Wirklichkeit werden könnte, erörterten Politiker und Wissenschaftler auf Europas größter Leitmesse für Biotechnologie vom 6. bis 8. Oktober in Hannover.
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Bio-Ökonomien im geschlossenen Kreislauf
Freilich wird es enormer Investitionen bedürfen, um eine geschlossene Bio-Ökonomie auf die Beine zu stellen.
Das Vertrauen in Biotechnologie war in Hannover ungebrochen: Die Branche wuchs im Rezessionsjahr 2008 sowohl nach Umsatz wie nach Beschäftigtenzahlen. Hannover erzielte mit 650 Ausstellern (plus 20 Prozent gegenüber 2008) eine europaweite Bestmarke.
Immer mehr Unternehmen legen sich ein Standbein "Biotechnologie" zu. Österreich will Privatunternehmen anlocken und entsendete nach Hannover einen Gemeinschaftsstand, der mit dem Wirtschaftsförderungs-Instrument "Tiroler Zukunftsstiftung" sowie mit dem Austrian Center of Biotechnology der Boku (Universität für Bodenkultur) in Wien besetzt war.
Wie der Innsbrucker Marcus Hofer mitteilte, stellte die Ansiedlung des Unternehmens Bionorica aus Mittelfranken den bislang größten Erfolg der Tiroler Wirtschaftsförderung dar. Bionorica ist der umsatzstärkste Hersteller apothekenpflichtiger Medikamente auf pflanzlicher Basis (Phytopharmaceutica) in Deutschland. Das Unternehmen schuf mehrere Labors mit hochqualifizierten Arbeitsplätzen in Innsbruck und will dort seine Forschungsaktivitäten weiter ausbauen. Ein Teil der Zuschüsse für Bionorica stammt aus EU-Töpfen.
Dass mit der Biotechnologie ein neues Zeitalter der Industrialisierung anbricht, veranschaulicht das molekulare Farming, an dem die Wissenschafter der Boku beteiligt sind und wo Österreichs Biotech-Branche zumindest europaweit zur Spitze zählt. Anstatt von Kleinstlebewesen, etwa Bakterien in Fermentern, werden in gentechnisch veränderten Pflanzen pharmakologische Wirkstoffe produziert.
Die Pflanzen werden problemlos geerntet und nach der Entnahme der Wirkstoffe einer Zweit- oder gar Drittverwertung zugeführt: Sie können zur Biogas-Herstellung genutzt werden - der Rest dient einer Verwendung als biologisch leicht abbaubare Ausgangsstoffe für Produkte, die bisher aus Plastik gefertigt wurden. Bei diesem geschlossenen biotechnologischen Produktionskreislauf entstehen keine nennenswerten Abfallstoffe mehr.
Die Produktionsverfahren werden außerdem biotechnologisch so gesteuert, dass sie energieeffizienter arbeiten, Ressourcen sparen und keine neuen CO2-Emissionen verursachen. Aufgeschlossenen Landwirten steht möglicherweise eine Zukunft nicht nur als Bio-Energie-Produzent, sondern auch als Erzeuger von Biopharmaka bevor.
Neue Fischer-Dübel aus abbaubarem Bio-Nylon
Als erste Töne dieser Zukunftsmusik gelten Bio polymere aus gießfähigem Flüssigholz. Mit Unterstützung des Bundesforschungsministeriums in Berlin wurde ein biologisch abbaubares Nylon entwickelt. Daraus stellt das weltbekannte Unternehmen Fischer neue Dübel her - und der Autozulieferer Bosch sogar ganze Motorlüfter: In neue Mercedes-Modelle werden diese biologisch abbaubaren Ventilatoren eingebaut.
Gesamtwirtschaftlich liegen Hoffnungen darin, mit Pflanzen fossile Energieträger zu ersetzen: Die industrielle Biotechnologie könnte die "grüne Wirtschaft" des 21. Jahrhunderts auf den Weg bringen. Doch dafür wäre ein öffentlicher Meinungsumschwung zugunsten der "grünen Gentechnik" nötig.