Wenn Gewalt und Sexualität die Werbebotschaft vergessen lassen.
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Wien. Die Tierrechtsorganisation Peta USA setzt auf Gewalt, genauer: Gewalt gegen Frauen, um die Vorteile einer Ernährung ohne Tierprodukte zu kommunizieren. Vegane Ernährung macht Männer sexuell aktiver und potenter, so der Claim. Zeugnis dieser sexuellen Energie legen in der Werbekampagne die Partnerinnen dieser Männer ab - anhand ihrer Verletzungen. Was bringt diese Art von Gewalt gegen Frauen dem Anliegen von Peta?
Das zentrale Video der Werbe-Kampagne, die am Valentinstag am 14. Februar 2012 in den USA startete, zeigt "Jessica", eine junge Frau, die mit einer Halskrause unter sichtlichen Schmerzen eine Straße entlang geht. Wir erfahren durch eine Stimme aus dem Off, dass sie an "BWVKTBOOM (Boyfriend went vegan and knocked the bottom out of me)" leide: "Dieser schmerzhafte Zustand tritt auf, wenn Sexualpartner vegan werden und es plötzlich so gut bringen wie Porno-Stars", heißt es in dem Video. Wenn Jessica, die nur mit einem Mantel bekleidet ist, heimkommt, lächelt sie ihrem Freund komplizenhaft zu und wirft ihm ein Einkaufssackerl mit Gemüse auf das Bett.
"Es geht nicht um Gewalt, sondern um eine scherzhaft gemeinte Übertreibung der gesundheitlichen Wirkung einer veganen Ernährung", sagt die Kampagnenleiterin von Peta USA, Lindsay Rajt, zur "Wiener Zeitung". "Wer sich vegan ernährt, verringert ja tatsächlich das Risiko der Arterienverstopfung."
Rajt mag mit Letzterem Recht haben, aber ist die Videokampagne wirklich nur ein Spaß? "Nein", sagt der Sozialpsychologe und Kommunikationsforscher Brad Bushman von der Ohio State University im Gespräch. "Es ist ein gewalttätiges Video, das häusliche Gewalt gegen Frauen verharmlost." Gewalt sei ein starker Stimulus, der in der Kampagne mit Sexualität und Humor verknüpft werde. Auf diese Weise werde die Gewalt verharmlost. "Jessica" wird in der Darstellung zur Komplizin. "Die Gewalt erfährt so eine scheinbare Rechtfertigung", ergänzt Bushman. "Dieser Spot funktioniert ähnlich wie die sogenannten Vergewaltigungsmythen, die behaupten, dass Gewalt den Frauen gefalle."
"Es bleiben nur negative Assoziationen übrig"
Lindsay Rajt sagt, dass innerhalb von 24 Stunden nach der Publikation der Videokampagne auf Facebook 525 "vegan Starter-Kits" von der Peta-Website heruntergeladen wurden: "Die Kampagne mag kontrovers sein, aber sie weckt Interesse an einer Ernährung ohne tierische Produkte, das sonst nicht da wäre."
Bushman bezweifelt das: "Unsere Forschung hat gezeigt, dass Gewalt und Sexualität in der Werbung alle anderen Botschaften überlagern." Sofern das Produkt, für das gewaltsam geworben wurde, nicht überhaupt vergessen werde, würden Konsumenten es mit Gewalt assoziieren. "Es bleiben nur negative Assoziationen übrig." Im Fall von Peta würde eine vegane Ernährung oder die Organisation selbst mit Gewalt assoziiert. "Welches Unternehmen oder welche NGO will das schon?" fragt Bushman.
Seine Botschaft ist noch nicht bei allen Unternehmen angekommen, nicht alle sind sensibel für das Thema Gewalt. "Die meisten Unternehmen setzen Gewalt aber nicht absichtsvoll ein", sagt der Präsident des Österreichischen Werberats, Michael Straberger, im Gespräch. "Sie ziehen in der Regel eine beanstandete Werbung sofort zurück, noch bevor eine entsprechende Entscheidung des Werberats fällt." So heuer zum Beispiel eine Werbung für die Sony Playstation. Eine Zunahme gewalttätiger Werbung kann Straberger nicht beobachten. "Konsumenten, Agenturen und Unternehmen sind sensibler geworden", meint er und kann sich entsprechend "nicht vorstellen", dass ein TV-Spot wie jener von Peta in Österreich lange laufen würde.