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"Guter Beginn" kontra "enttäuschend"

Von Martyna Czarnowska

Politik

Das erste Koalitionsgespräch zwischen ÖVP und SPÖ brachte kaum eine Annäherung der beiden Parteien. Die ÖVP wolle sich weiterhin alle Optionen offen halten, vermutete SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer. Weniger als dieser ließ sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel Unzufriedenheit anmerken: Er sprach von einem "guten Beginn" der Gespräche. Die erste Verhandlungsrunde mit allen drei Parteien könnte die ÖVP diese Woche abgeschlossen haben. Eine rasche Regierungsbildung zeichnet sich vorerst dennoch nicht ab.


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Der eine sprach von Sondierungs-, der andere von Verhandlungsgesprächen. Doch Bezeichnungen wollte Wolfgang Schüssel geringere Bedeutung beimessen. Vielmehr hätte er sich gewünscht, dass beim ersten Gespräch mit der SPÖ verstärkt Sachthemen angesprochen würden, erklärte der ÖVP-Obmann nach dem knapp vierstündigen Treffen.

"Es war ein guter Beginn - mehr kann man im Moment nicht sagen", resümierte Schüssel. Die Diskussion sei "ernst, aber getragen von einem konstruktiven Ansatz" gewesen. So habe die ÖVP den von der SPÖ geforderten "Kassasturz" auf Papier präsentiert. Demnach liege das prognostizierte Budgetdefizit bei 1,3 Prozent, wobei die Konjunkturbelebungs- und Hochwasserhilfemaßnahmen bereits einberechnet seien. Damit habe die ÖVP die Vereinbarung mit der SPÖ eingehalten.

Anders stellte sich dies für Alfred Gusenbauer dar. Kurz zuvor hatte er das erste "Sondierungsgespräch" als "einigermaßen enttäuschend und nicht sehr aussagekräftig" bezeichnet. "Unsere Erwartung war, dass heute präzisere Zahlen auf den Tisch gelegt werden", meinte der SPÖ-Vorsitzende. Doch die ÖVP hätte bloß ein einseitiges Informationsblatt über das Budget 2002 vorgelegt. Dies sei zu wenig, zudem werde dem prognostizierten Defizit kein großer Glauben geschenkt. Was die - von der SPÖ ebenfalls geforderte - Offenlegung der Defizitprognosen bis 2006 anbelange, so habe die ÖVP auf anstehende Wirtschaftsprognosen verwiesen. Und diese werden erst Mitte Dezember veröffentlicht.

Dass Sachthemen nur angerissen wurden, ließ auch Gusenbauer durchblicken. "Bei keinem Thema hat sich eine intensivere Debatte ergeben", berichtete er. Den ÖVP-Vorschlag, "in Untergruppen weiter zu reden", lehnte die SPÖ ebenso ab wie die ÖVP die SPÖ-Idee, eine Expertenkommission zur Prüfung der Budgetfragen einzusetzen.

Ein wenig "gepflanzt" fühlte sich SPÖ-Klubobmann Josef Cap ob des "Blattes Papier" statt genauer Unterlagen für einen Kassasturz. Es sei notwendig, für allfällige weitere Sondierungsgespräche eine "faire Grundlage" zu haben. Zuvor hatte er angeregt, einen etwaigen Koalitionsvertrag mit der ÖVP der Basis zur Abstimmung vorzulegen.

Gegen eine Zusammenarbeit mit der Volkspartei sprach sich hingegen der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten, Hans Sallmutter, aus. "Wenn die SPÖ in eine Koalition mit der ÖVP geht, dann sind wir für zehn Jahre weg vom Fenster", erklärte er gegenüber dem "Standard".

BefürworterInnen einer Annäherung finden sich unterdessen in den Reihen der Grünen. Für Gespräche mit der ÖVP plädierte die ehemalige Bundesgeschäftsführerin Michaela Sburny. Allerdings sei dies nicht gleichzusetzen mit Koalitionsverhandlungen. Auch die Vorarlberger Grünen, die bei der Nationalratswahl auf rund 14,5 Prozent der Stimmen gekommen waren, schließen eine Regierungsbeteiligung der Grünen nicht mehr kategorisch aus.

Gespräche mit allen drei Parteien kündigte jedenfalls ÖVP-Obmann Schüssel noch für diese Woche an. "Ohne uns gibt es keine Regierung", stellte er fest. Er gehe davon aus, dass sich jede Partei "im Interesse des Landes" auf ernsthafte Verhandlungen einlasse.