Immer mehr Österreicher privat krankenversichert. | Kürzeres Warten auf Operationen und Spital mit Hotelflair. | Zwang in eine Zweiklassenmedizin? | Wien.Volle Wartezimmer und wenig Zeit, um auf den einzelnen Patienten einzugehen: Aus der angespannten Situation im öffentlichen Gesundheitswesen schlagen immer mehr Versicherungsunternehmen Profit. Fast ein Drittel der Österreicher besitzt bereits eine private Krankenversicherung. Die Nachfrage nach der Zusatzversicherung steigt seit Jahren deutlich.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Selbst im heurigen Wirtschaftskrisen-Jahr rechnet die Branche mit einem Prämienplus von mehr als drei Prozent - während die Sparten Leben und Auto-Haftpflicht ins Minus rutschen werden. "Die private Krankenversicherung ist derzeit der einzige echte Wachstumsbereich", gesteht Günter Geyer von der Wiener Städtischen Versicherung. Dass sich die Konsumenten trotz Krise ihre Gesundheit etwas kosten lassen, belegen auch die Zahlen der Generali: Im ersten Halbjahr 2009 gab es einen Prämienzuwachs von 5,2 Prozent.
Zwei-Bett-Zimmer kostet
"Es geht um Wahlfreiheit, um Zeit und um das Gefühl der Zuwendung", bringt Peter Eichler, Vorstand der Uniqa und Vorsitzender der Sektion Krankenversicherung im Versicherungsverband, die Argumente der Anbieter für einen privaten Abschluss auf den Punkt. Laut Versicherern sei all dies bei der gesetzlichen Krankenversicherung wegen der laufenden Leistungskürzungen und Einschnitte bei Spitalsärzten nicht mehr gewährleistet: Die Kassen haben bis 2013 einen Einsparungsbedarf von 1,7 Mrd. Euro. Wer monatlich 100 bis 125 Euro einzahlt, erkauft sich das Recht auf eine freie Arzt- und Krankenhauswahl sowie die Unterbringung in einem Zwei-Bett-Zimmer. Der Privatarzttarif deckt darüber hinaus die Kosten für Medikamente, Sehbehelfe, Kuraufenthalte sowie für alternative medizinische Behandlungen.
Während die Versicherer mit Slogans wie "Versichern Sie das Wunder Mensch" werben, sprechen Gesundheitsökonomen von einem "Hineindrängen in eine Zweiklassenmedizin". "Wenn ein Primararzt 4200 Euro brutto im Monat verdient, ist die Motivation groß, sich nach Zusatzeinnahmen umzusehen", gibt der Gesundheitsexperte Ernest Pichlbauer zu bedenken. Die Folgen: Die engen OP-Kapazitäten werden quasi verkauft. Privatversicherte kämen als Erste im Wartezimmer an die Reihe.
Andere Gesundheitsökonomen attestieren den Versicherern wiederum, "mit der Panik der Patienten zu spielen". Die wichtigste Frage bei der staatlichen Versorgung sei: "Haben alle Menschen im Notfall die Möglichkeit, jederzeit eine qualifizierte Behandlung zu bekommen?" Diese könne mit "Ja" beantwortet werden, so die Gesundheitsexpertin Maria Hofmarcher.
Vertrag auf Lebenszeit
Zu Achtsamkeit beim Abschluss einer privaten Krankenversicherung rät indes die Arbeiterkammer: Alle Fragen zum Gesundheitszustand sollten richtig und vollständig ausgefüllt werden. Es könne sonst vorkommen, dass die Versicherer eine Rückerstattung ablehnen. Aufgrund hoher Prämien und hoher Selbstbehalte seien zudem Leistungen für Zahnbehandlungen wenig attraktiv.
Wer einen Vertrag abschließt, sollte mehrere Angebote einholen, denn es sei ein Vertrag auf Lebenszeit. Zudem müssten sich Kunden im Laufe der Jahre auf deutliche Prämienerhöhungen gefasst machen.