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Gutes neues Jahr?

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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26,1 Millionen Menschen ohne Arbeit in der EU und keine Entspannung in Sicht. Der EU-Sozialbericht ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Armutszeugnis für Europa. Norden und Süden driften weiter auseinander, der Zusammenhalt bröckelt. Die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds, nicht eben bekannt für klassenkämpferische Umtriebe, legten dieser Tage den Finger auf die Wunde: Bei den Einsparungsmaßnahmen zur Bewältigung der Schuldenkrise wurden die sozialen Auswirkungen sträflich unterschätzt, die Sparmaßnahmen sollten gezügelt werden.

IWF-Chefin Christina Lagarde sprach schon im Dezember von der Gefahr eine "Großen Depression", die nun veröffentlichten Zahlen geben ihr in erschreckender Weise recht.

Die überall einsetzenden Budgeteinsparungen führten zu hoher Arbeitslosigkeit. Die geforderten Sozialsysteme erhöhten aber die öffentlichen Ausgaben, woraufhin noch mehr gespart wurde - und die Arbeitslosigkeit noch höher stieg. Binnen vier Wochen kletterte in der EU die Zahl der Arbeitslosen um zwei Millionen, weiteres Gift für die wirtschaftliche Erholung.

Die IWF-Experten raten, die Budgeteinsparungen auf viel längere Zeiträume zu verteilen und so die jährliche Belastung zu reduzieren. Denn was bringt ein ausgeglichenes Budget, wenn mehr als die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos sind? Für wen wird hier gespart?

Es ist hoch an der Zeit, dass die europäischen Regierungen, aber auch die EU-Kommission, ihre weltanschaulichen Scheuklappen ablegen. Es geht nicht mehr um sozialistische Schuldenmacherei oder um neoliberalen Privatisierungswahn. Das sind eher dümmliche Polit-Spielchen.

Es geht um den Wohlstand Europas. Nicht länger darum, ihn zu sichern, sondern das weitere Abrutschen zu kontrollieren. Die Nettoeinkommen in Europa sind gesunken in den vergangenen zwei Jahren. Das bedeutet, dass sich Millionen Bürger weniger leisten können.

Die nationalen Regierungen sind aufgefordert, ihre Budgetziele weit nach hinten zu strecken. Und die EU-Kommission sollte statt kleinlicher Liberalisierungsschritte bei Bus und Bahn eine umfassende Industriepolitik entwickeln. Es geht nun darum, in Europa wieder Jobs zu schaffen, und zwar solche, von denen die Menschen auch leben können. Das sollte die ideologische Richtschnur sein, und zwar die einzige.