Die WU hat im Auftrag der Hilfsorganisation "Menschen für Menschen" den "Social Return on Investment" in den Projektgebieten Äthiopiens untersucht: 1 Spenden-Euro bringt 26,60 Euro.
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Wien/Addis Abeba. "Was ist es wert, keine Schmerzen zu haben? Was ist ein Menschenleben wert?", wirft Christian Schober in die Runde. Diese Fragen klingen nur scheinbar polemisch - sie stammen diesmal aus einem nüchternen betriebswirtschaftlichen Kontext.
Schober ist Leiter des Kompetenzzentrums für Non Profit Organisationen und Social Entrepreneurship an der Wirtschaftsuniversität Wien. Sein Institut hat im Auftrag der Äthiopien-Hilfe "Menschen für Menschen" den sogenannten "Social Return On Investment" (SROI) anhand von Frauenprogrammen im Tiefland Ginde Beret, nordwestlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba untersucht. Einfach formuliert war die Frage, was bringt ein gespendeter Euro in der Projektregion von "Menschen für Menschen" (MfM)? Und zwar nicht nur in Hinblick auf rein finanziell messbare Größen - etwa eine gesteigerte Wirtschaftsleistung. Sondern wie wirkt sich der gespendete Euro auf sämtliche gesellschaftlichen Aspekte in der Region aus? "Unsere Gesellschaft will, dass Wirkungen in Geldeinheiten ausgedrückt werden", diagnostiziert Ökonom Schober. Das heißt: Kausale Erfolge sowie Verhinderungen von Schäden wurden im Fachjargon "monetarisiert".
Und um diese Aspekte quantifizierbar zu machen, wurde der Nutzen des Frauenförderungsprogrammes von "Menschen für Menschen" untersucht. Darunter fallen die Auswirkungen von Kursen in der Landwirtschaft genauso wie in Hygienefragen, die Mikrokredit-Vergabe und Aufklärungsarbeiten (um beispielsweise gefährliche Traditionen wie Kinderheirat und Beschneidungen von Mädchen zu verhindern).
Olivia Rauscher hat die Wirkung von Frauenprojekte in der MfM-Projektregion in einem Zeitraum von drei Jahren evaluiert. Sie kam mit Co-Autor Schober zum Ergebnis, dass jeder Spenden-Euro, der in das Frauenprogramm geflossen ist, der Gesellschaft einen "Social Return on Investment" von 26,60 Euro bringt.
"Es geht um mehr als das kleine Einzelprojekt"
Das entspricht einer Rendite von 2660 Prozent. Klingt nach viel, ist es auch. "Der Wert ist ausgesprochen hoch", sagt Rauscher. Aber, erklärt die Ökonomin, man müsse bedenken, dass in Entwicklungsländern wie Äthiopien die kleinsten Verbesserungen enorme Auswirkungen haben können. Je ärmer die Region ist, in die Spenden investiert werden, desto größer ist der gesamtgesellschaftliche Effekt. "Wir haben auch extrem konservativ gerechnet und eher untertrieben", erklärt Rauscher bei der Präsentation der Studie am Dienstag in Wien. Man wolle sich nicht angreifbar machen. Auch sogenanntes "Dead Weight" habe man versucht herauszurechnen: Also positive Entwicklungen, die ohne Zutun von MfM von statten gegangen sind.
Ein anderer Grund, weshalb die Zahl so hoch wirkt, ist vielleicht, dass sie so ungewohnt ist. Denn die von der WU vorgestellte Arbeit betritt in gewisser Weise Neuland: Es gibt zwar genug Untersuchungen, die sich mit dem "Social Return on Investment" in der westlichen Hemisphäre beschäftigen, aber kaum eine Studie über den SROI bei Entwicklungszusammenarbeit.
Wie kam nun die Studie auf die geldgleiche Wirkung von 26,60 Euro pro Euro? Für die Berechnung musste man oft Hilfskonstruktionen verwenden. Etwa: Wie viel würde eine chirurgische Rekonstruktion beschnittener Genitalien kosten? Oder: Ein in Äthiopien üblicherweise verwendeter Herd mit offenem Feuer fügt den Frauen regelmäßig starke Verbrennungen zu. Wie viel kostet ein Krankenhausaufenthalt? Wie hoch würde man das Schmerzengeld ansetzen? Wie viel kosten die Magen-Darm-Krankheiten durch verschmutztes Trinkwasser? Welche Ausgaben erspart sich eine Frau, wenn sie Gemüse in ihrem neuen Hausgarten zieht?
"Die Analyse gibt uns die Möglichkeit, Spenden in einem Wert darzustellen, der unterstreicht, dass es dabei nicht nur um das kleine Einzelprojekt geht", erklärt Rupert Weber, Geschäftsführer von MfM Österreich. "Entwicklungszusammenarbeit ist ein wichtiges Mittel, um Fluchtbewegungen zu verhindern", erinnert Weber. Menschen, die in ihrer Heimat eine Perspektive auf ein besseres Leben bekommen, bleiben in ihrer Region.