MA22-Chefin Karin Büchl-Krammerstätter über falsche Erwartungen bei Gütesiegeln und die Vorbildwirkung der Stadt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Wiener Zeitung": Eine der bekanntesten Lebensmittelkennzeichnungen ist das AMA-Gütesiegel. In den Köpfen eines Großteils der Bevölkerung ist es mit Bildern von biologischer Landwirtschaft verknüpft. Oft ist aber unklar, was genau das AMA-Güte-Siegel aussagt. Was hat es nun damit auf sich?
Karin Büchl-Krammerstätter: Das AMA-Gütesiegel sagt schlicht aus, dass die österreichischen Mindeststandards eingehalten werden. Ich finde das noch immer besser, als wenn das Fleisch aus einem Nicht-EU-Land stammt, wo nicht mal diese Standards eingehalten werden. Was die österreichischen Richtlinien angeht, gibt es aber sehr viel Verbesserungspotenzial nach oben, um tiergerecht zu werden. Denn wir sind gerade mal bei der Hühnerhaltung im EU-Durchschnitt. Was beispielsweise die Schweinehaltung angeht, sind wir fast Schlusslicht.
Also bedeutet das AMA-Gütesiegel nicht automatisch Bio?
Nein. Ich persönlich finde es auch in Ordnung, wenn man genau dazu steht, was das Siegel aussagt. Wenn es aber in der Werbung mit idyllischen Eindrücken von Kühen auf der Weide und Alpenhöfen verwendet wird, irritiert mich das. Ich finde es nicht in Ordnung, mit schönen Bildern oder Begriffen wie "Bauernhofgarantie" zu täuschen, wo ein Großteil der Bevölkerung einfach andere Vorstellungen davon hat, als sie tatsächlich aussagen. Es mag sicher noch solche Betriebe geben, aber das muss nicht die Regel sein.
Wo sehen Sie Schwierigkeiten bei Verbesserungen der Standards?
Die Verantwortung, etwas zu ändern, liegt bei jedem in unserer Gesellschaft. Wichtig ist dabei die Bereitschaft, alles zu tun, um zu einer fairen Tierhaltung zu kommen, für die wir uns in den Spiegel sehen können. Meiner Meinung nach sollen die Thematisierung von Umweltauswirkungen und Tierhaltung Hand in Hand gehen.
Abgesehen von der von Ihnen ins Leben gerufenen Initiative "Gutes Gewissen - Guter Geschmack", welche Maßnahmen setzt die Stadt Wien und speziell die MA22, um Umweltbewusstsein zu fördern?
Der Bürgermeister hat zu Beginn dieses Jahres den Urban Food Policy Pact unterzeichnet. Dieser stellt eine freiwillige Selbstverpflichtung großer europäischer Städte dar, auf nachhaltigen Lebensmitteleinkauf, Lebensmittelabfallreduktion und Lebensmittelsicherheit zu achten. Wir sind mit unseren Projekten in Wien da bereits sehr weit, beispielsweise "Ökokauf Wien" und "Ökobusinessplan Wien".
Worum genau geht es beim Projekt "Ökokauf Wien"?
Das Projekt wurde vor 18 Jahren von uns initiiert und hat zum Ziel, die gesamte Beschaffung der Stadt nach ökologischen Kriterien auszurichten. Das reicht vom Innenausbau über Waschmittel bis hin zu Lebensmitteln. Die Stadt versorgt hier täglich tausende Menschen in Kindergärten, Schulen, Pensionistenheimen und Krankenhäusern. Mindestens 30 Prozent des Einkaufswerts der Lebensmittel sind Bio, bei den Kindergärten sogar über 50 Prozent.
Das Projekt ist der breiten Bevölkerung relativ unbekannt. Wo kann hier eine Vorbildwirkung liegen?
Die Stadt Wien kann bereits durch ihre große Nachfragekraft etwas Gutes tun. Außerdem lebt sie vor, wie sie es sich von den Privathaushalten wünscht. Auch die mehr als 60.000 Mitarbeiter der Stadt, die mit "Ökokauf Wien" zu tun haben, nehmen den Gedanken hoffentlich auch mit nach Hause und in ihr Umfeld mit.
Genügt das, um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen?
Da müssen wir dranbleiben, um Schritt für Schritt eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen - auch wenn es noch ein weites Stück ist. "Ökokauf Wien" stieß in seinen Anfängen vor knapp 20 Jahren erst auf Widerstand, jetzt ist es in allen Magistraten verpflichtend. Unser Versuch mit der Initiative "Gutes Gewissen - Guter Geschmack" ist auch, Bewusstsein zu schaffen. Das Ziel ist, den fairen und ethischen Umgang mit anderen Lebewesen zu einem inneren Anliegen zu machen, dann läuft es von ganz alleine.
Und wie versuchen Sie, die Betriebe zu erreichen?
"Ökobusinessplan Wien" ist ein Beratungsprogramm für private Betriebe, bei dem wir auch mit dem Umweltministerium und den Kammern zusammenarbeiten. Wir wollten dort von Anfang an mit den Wirtschaftsreibenden auf Augenhöhe agieren.
Bräuchte es nicht auch Beratungs- und Informationsanreize, um Privathaushalte besser zu erreichen?
Eine Breitenwirkung erzielen wir auch in Kindergärten, Schulen und Spitälern, wo ökologischer Einkauf den Familien näher gebracht wird. Es muss aber auch kommuniziert werden und nicht einfach nur vorhanden sein. Wichtig ist, dass wir das Interesse der Leute wecken.
Karin Büchl-Krammerstätter
ist die Leiterin der MA22 (Umweltschutzabteilung der Stadt Wien) und Lehrbeauftragte für Umweltmediation an der Universität Wien und an der Wirtschaftsuniversität Wien und u.a. zuständig für den "Ökobusinessplan Wien".