Das Verbot von Dreadlocks an einer Schule beschäftigt den Obersten Gerichtshof.
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Mit Jamaika verbindet man gerne entspannte Menschen mit Dreadlocks. Doch die eigenwillige Haarpracht, bei der die Haare zu dicken Strähnen verfilzt werden, hat auf der Karibikinsel für ziemliche Aufregung gesorgt. Die Situation ist derart eskaliert, dass sich nun sogar der Oberste Gerichtshof damit befasst. Ausgangspunkt der Aufregung ist ein fünfjähriges Mädchen. Seiner Mutter wurde bei einer Informationsveranstaltung vor der Einschulung erklärt, dass die Dreadlocks ihrer Tochter an der Schule verboten seien. Das habe hygienische Gründe, zudem wolle man verhindern, dass sich Lauskolonien an der Lehranstalt breitmachen. Die Option: "Bildung oder Haare" gefiel der Mutter jedoch gar nicht. "Es ist unser natürliches Haar, es ist die Kultur unserer Nation und es ist das, womit Gott uns gesegnet hat", sagte sie empört. Die Haarpracht sei Teil ihrer Identität. Die Mutter weigerte sich, ihrer Tochter den Kopf zu scheren, bestand aber gleichzeitig darauf, dass das Kind trotzdem die Schule besuchen könne. Auf diesen Zug sprangen Angehörige der Religion der Rastafari auf, bei denen die Rastalocken, wie sie auch genannt werden, spirituelle Bedeutung haben. Für sie sind sie ein Symbol für Naturverbundenheit und erinnern an die Mähne des Löwen von Juda. Gemeinsam beschloss man, diesen Fall als Anlass zu nehmen, um das Tragen von Dreadlocks verfassungsrechtlich zu verankern. Als Klägerin tritt die Menschenrechtsorganisation "Jamaicans for Justice" auf. Sie behauptet, dass das Dreadlock-Verbot gegen die in der Verfassung verankerten Grundrechte des Kindes verstoße. "Freedom of Expression", also Meinungsfreiheit beziehungsweise das Recht, sich frei auszudrücken, sei nicht auf Sprache beschränkt - so die Argumentation. Zudem verstoße es auch gegen das Recht auf Bildung. In einem ersten Anlauf war das Bemühen von Erfolg gekrönt. Das Oberste Gericht beschied in einem vorläufigen Entscheid, dass das Mädchen in diesem konkreten Fall die Schule mit Dreadlocks besuchen darf. Im Jänner soll dann die endgültige Entscheidung fallen, ob Schüler generell in Jamaika ein Recht darauf haben, mit Dreadlocks zur Schule zu gehen. Das wiederum wird direkt Auswirkungen auf die Rastafari haben. Denn obwohl die Filzlocken mit dem wohl berühmtesten Jamaikaner - dem König des Reggaes, Bob Marley, - assoziiert werden, fühlen sich viele Rastafari seit Jahrzehnten benachteiligt. Erst im April hatte sich Premierminister Andrew Holness für einen Zusammenstoß mit der Polizei entschuldigt, bei dem 1963 acht Rastafari getötet und dutzende verhaftet, geschlagen und am Kopf rasiert wurden. Mit einem positiven Gerichtsurteil - so hoffen die Rastafari - wird die gesellschaftliche Diskriminierung bei der Ausübung ihrer Riten und Bräuche eindämmt.