Zum Hauptinhalt springen

Haarscharf am Krieg vorbei

Von Gerhard Lechner

Politik

Fast hätte es Krieg gegeben, im letzten Moment hat US-Präsident Donald Trump die - schon angeordnete - Militäraktion gegen den Iran abgeblasen. Ein Krieg zwischen Teheran und Washington ist aber nicht vom Tisch.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Washington/Teheran/Brüssel. Es war, glaubt man der "New York Times", ein Abwinken in allerletzter Minute: Kurz von dem Morgengrauen am Freitag hätten US-amerikanische Vergeltungsschläge gegen die Islamische Republik Iran erfolgen sollen. Die Kampfflugzeuge waren bereits in der Luft, die Schiffe der US-Marine in Gefechtsstellung. Radarstationen und Raketenbatterien im Iran wären das Ziel gewesen. Es hätte eine Antwort auf den Abschuss einer US-amerikanischen Drohne durch iranische Revolutionsgarden werden sollen.

Doch in letzter, in allerletzter Sekunde kam das "No" - offenbar von allerhöchster Stelle: US-Präsident Donald Trump persönlich soll den geplanten Angriff abgesagt haben. Und das, obwohl er ihn kurz zuvor noch selbst angeordnet hatte. "Trump hat dann aber offenbar an die Konsequenzen solcher Luftschläge gedacht und doch noch gebremst", sagt der Politologe Heinz Gärtner, USA- und Iran-Experte, der "Wiener Zeitung".

Doch auch wenn es zu dem Angriff gekommen wäre, wäre der Iran offenbar informiert gewesen: Die Agentur Reuters erfuhr von einem iranischen Regierungsvertreter, dass die persische Führung in der Nacht auf Freitag via Oman von dem bevorstehenden Angriff informiert wurde. Trump solle dabei mitgeteilt haben, dass er keinen Krieg, sondern Gespräche wolle. Für eine Antwort habe er eine kurze Frist gesetzt. Die iranische Führung soll geantwortet haben, eine Entscheidung obliege dem Oberhaupt des Iran, Ayatollah Ali Khamenei.

Trump selbst begründete die Absage des Angriffs mit den befürchteten Opfern. Die 150 Todesopfer, die das US-Militär bei den geplanten Schlägen wegen des Anschusses der unbemannten Drohne gewissermaßen einkalkuliert hatte, wären "unverhältnismäßig" gewesen, schrieb der US-Präsident auf Twitter. Trump war bemüht, den Eindruck, gekniffen zu haben, zu vermeiden: "Ich habe keine Eile", schrieb er. Das US-Militär sei weiter einsatzbereit und "mit Abstand das beste in der Welt". Außerdem würden die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran Wirkung zeigen. "Der Iran kann NIE Atomwaffen haben", betonte Trump.

Reale Kriegsgefahr

Damit geht die Nervenprobe in Nahost weiter. Der Iran stellt dabei ostentativ Selbstbewusstsein zur Schau. Die Revolutionsgarden behaupteten, dass sie nicht nur die Drohne, sondern auch ein US-amerikanisches Flugzeug hätten abschießen können, es aber nicht getan hätten - möglicherweise ein Zeichen von Friedenswillen bei gleichzeitiger Demonstration der eigenen Stärke. Auch Trump hat mit dem Abblasen des Angriffs, aber auch mit der Warnung Richtung Teheran gezeigt, dass er nicht unbedingt auf eine militärische Konfrontation setzt.

Ist das gegenseitige Säbelrasseln, Zwischenfälle eingeschlossen, also nur Show? Ist ein Krieg zwischen USA und Iran gar nicht möglich, weil ihn ohnehin niemand will? Gärtner ist da skeptisch. "Die Wahrscheinlichkeit eines Krieges ist sehr hoch", sagt er. Allzu viele hätten ein Interesse daran, den Iran zu schwächen. "Innerhalb der Führungsspitze der USA sind es vor allem Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton, die auf einen Krieg drängen", gibt der Politologe zu bedenken. Auch Israels Premier Benjamin Netanjahu und Saudi Arabien hätten ein Interesse an einer fundamentalen Schwächung des Irans.

Für die Befürworter eines Waffengangs gilt der Iran als größte Gefahr in der Region, ein Iran mit Atomwaffen als Albtraumszenario. Besonders Israel fürchtet die Regionalmacht, die gegenüber Israel betont provokant auftritt. "Damit verglichen werden die Gefahren eines neuerlichen Chaos in der Region samt der Herausbildung eines zweiten Islamischen Staates von den Befürwortern des Krieges als geringer eingeschätzt", sagt Gärtner.

Begrenzte Optionen

Einen Krieg verhindern kann wohl nur der Mann, der allerorten als unberechenbarer Heißsporn verschrien ist - Trump selbst. Seine Optionen sind allerdings begrenzt: Er kann nichts tun - was Teheran signalisieren würde, dass man ungestraft US-Drohnen abschießen kann. Er kann die Iran-Sanktionen weiter verschärfen - was den Hardlinern, die er selbst in ihre Posten gehievt hat, nicht genügen wird. Oder er setzt wirklich auf Krieg. Die Folge könnte dann allerdings ein Flächenbrand in Nahost sein - mit direkten Auswirkungen auf ein Europa, dem nichts anderes bleibt, als zuzusehen und das Drama an der Bande zu verfolgen.