Die mittel- und südamerikanische Krise der Achtzigerjahre könnte ein Vorbild für die Europäer in der aktuellen Situation im Umgang mit ihren Gläubigern sein.
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Bisher war der Begriff "Haarschnitt" für den Durchschnittsbürger das Ergebnis eines Besuchs beim Friseur. Seit dem Ausbruch der aktuellen Verschuldungskrise hat der bisher nur in der Finanzbranche gängige Ausdruck "Haircut" auch die Massenmedien erobert.
Gemeint ist damit, dass nicht nur die überschuldeten Länder, wie Griechenland, Irland oder Portugal, ihre Überschuldung selbst durch Einsparungen und die Erschließung neuer Einnahmen- und Wachstumsquellen zu lösen haben, sondern dass auch die Gläubiger einen Beitrag leisten müssen. Dazu zählen nicht nur Banken, Versicherungen, Pensions- und sonstige Veranlagungsfonds, sondern durchaus auch private Sparer.
Auch wenn die Perspektive eines "Haircuts" noch beharrlich geleugnet wird, um potenzielle Anleihekäufer nicht zu verschrecken und die Zinsen nicht weiter in die Höhe zu treiben, so spricht doch ein Rückblick auf vergangene Verschuldungskrisen für die Wahrscheinlichkeit eines derartigen Schritts.
In den frühen Achtzigerjahren konnten Mexiko, Brasilien und andere Länder ihre Auslandsschulden nicht mehr bedienen. Bei allen Unterschieden zwischen der damaligen Verschuldungskrise in Mittel- und Südamerika und den heutigen Verschuldungsproblemen europäischer Länder wurden auch in den Achtzigerjahren Schuldenstreichungen und Zinskonzessionen vorerst von den Gläubigern strikt abgelehnt. Erst als offensichtlich wurde, dass die Schuldnerstaaten ihre Probleme nicht allein lösen konnten beziehungsweise eine Lösung innenpolitisch nicht durchsetzbar war, setzte sich eine realistischere Einstellung auf Seiten der Gläubiger durch.
Zahlreiche bilaterale und multilaterale Instrumente wurden entwickelt, um den Schuldnerländern wirtschaftlich wieder Luft zum Atmen zu geben. Dazu gehörten zum Beispiel Laufzeitverlängerungen, Zinsnachlässe, der Tausch von Forderungen gegen Beteiligungen an Unternehmen der Schuldnerländer, der Verkauf von Forderungen mit einem Abschlag, der Umtausch von Forderungen mit einem Abschlag gegen mit US-Staatsanleihen gesicherte Wertpapiere von Schuldnerländern und der Abtausch von Forderungen gegenüber bestimmten Schuldnerländern zwischen Gläubigerbanken.
Letztlich hing der unbestreitbare Erfolg dieser Politik damit zusammen, dass die Gläubiger nicht zu einem undifferenzierten Schuldennachlass um einen bestimmten Prozentsatz gedrängt wurden, sondern dass ihnen Alternativen geboten wurden, aus denen sie sich ein auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Bündel schnüren konnten, je nach der jeweiligen Marktposition, Bilanzsituation, Ertragslage, geographischen Interessen, Vorschriften nationaler Finanzmarkt- und Steuerbehörden etc.
Es wäre überraschend, wenn in der aktuellen Krise nicht ein ähnlicher Weg gewählt würde.
Erhard Fürst war viele Jahre Leiter der Abteilung Wirtschaft und Industriepolitik in der Industriellenvereinigung.
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