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Plassnik betont | "Transparente Politik" für Türkei. | "Wiener Zeitung":In den ersten zwei Monaten der österreichischen Ratspräsidentschaft hat eine internationale Krise die andere gejagt. Wie viel Platz bleibt da für eigene Schwerpunkte?
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Ursula Plassnik: Ich habe den Vorsitz immer als Dienstleistung an unseren Partnern in der EU und in der Welt verstanden. Das klingt unspektakulär, aber in Wirklichkeit bedeutet das sehr viel. Es gibt nun mal bei jeder EU-Präsidentschaft den drehbuch-freien Bereich. Trotzdem bin ich nicht unzufrieden. Wir haben die Dinge in der richtigen Art und Weise angepackt.
Ist dabei eines der Hauptanliegen, die Integration der Westbalkan-Staaten, in den Hintergrund gerückt?
Der Balkan ist ein Thema, das nicht ins europäische Abseits geraten darf. Wir wollen, dass die Region in die europäische Integration einbezogen wird. Die Zielsetzung für das Außenministertreffen in Salzburg ist eine Bekräftigung dieses Engagements. Die europäische Perspektive ist ja eigentlich der Leuchtturm für diese Länder, an dem sie sich orientieren und ihre inneren Transformationsprozesse in der Politik, in der Gesellschaft und in der Wirtschaft ausrichten. Die EU wiederum muss auf allen Ebenen dieses Unterstützungsangebot auch glaubwürdig und greifbar machen.
Welchen Einfluss werden das Unabhängigkeitsreferendum in Montenegro oder die Statusverhandlungen mit dem Kosovo auf die Unterstützung der EU haben?
Es war vorhersehbar, dass für den Balkan 2006 ein besonders anspruchsvolles Jahr werden würde. Die Statusfragen gehören immer zu den heikelsten, die man international behandeln kann. Das betrifft die Zukunft des Kosovo wie der Staatenunion Serbien-Montenegro. Umso wichtiger ist es, ein positives Umfeld sicherzustellen und eine Strategie der Ermutigung zu haben. Das ist aber keine Einbahnstraße: Wir werden in Zukunft noch stärker die Eigenverantwortung und die Mitwirkung der Länder selbst einfordern.
Haben Sie ihre türkischen Partner jemals darauf angesprochen, dass sich Österreich stark auf dem Westbalkan engagiert, während es bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sehr vorsichtig agiert?
Wir betreiben eine sehr transparente Politik. Etwas anderes können mir weder unsere türkischen Freunde noch unsere Freunde am Balkan vorwerfen. Der türkische Außenminister Abdullah Gül kennt mich gut, wir haben ein persönliches und professionelles Verhältnis entwickelt, das recht tragfähig ist und durchaus aushält, dass man nicht immer einer Meinung ist. Ich habe immer klar gemacht, dass wir faire, sachliche Partner sein werden, selbstverständlich auch für die Türkei.
Haben Sie die Forderung von Bundeskanzler Schüssel bekräftigt, dass die Türkei noch 2006 ihre Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge öffnen muss?
Ja. Das ist Teil des laufenden Dialogs mit der Türkei.
Die Türkei sieht sich als Brückenkopf zur islamischen Welt. Tut sie das, um auch Pluspunkte für einen möglichen EU-Beitritt zu sammeln?
Die Türkei ist zu 99 Prozent ein islamisches Land. Sie will der Europäischen Union beitreten und ist auf dem Weg in die europäische Wertegemeinschaft. Wir führen Verhandlungen, die sehr komplex sind und sehr lange dauern werden, aber die Richtung ist eindeutig. Das Land befindet sich in einem einzigartigen Prozess der Vereinbarung von Modernität und Tradition, von Islam und Demokratie, von europäischen Werten und Regeln. Die Türkei hat daher auch schon seit längerem ein hohes Bewusstsein für die Notwendigkeit, Dialog und Verständnis mit der islamischen Welt zu fördern.
Die griechische Außenministerin Dora Bakoyannis hat zum Karikaturenstreit gesagt, dass jede Hilfe willkommen ist, aber nicht nur mit einem sondern mit mehreren Ländern verhandelt wird.
Sie hat die Effizienz gemeint: Wir werden alle ein Interesse daran haben, unsere Ideen hier zusammenzuführen - nicht nur mit unseren Partnern in der Welt, sondern innerhalb unserer eigenen Gesellschaft. Denn der Islam ist ja kein fernes Phänomen, sondern Teil unserer Alltagswirklichkeit in Europa. Dora Bakoyannis hat vorgeschlagen, auch den Ausschuss der Regionen in Europa mit dem Thema zu befassen. Wir sollten diesen Dialog so nahe wie möglich an die Bürger, auf die Gemeindeeben, bringen.